Jena (vdG/UKJ). „Selbstverständlich hatte der autoritäre DDR-Staat auch einen Einfluss auf die Psychotherapie, mit dem einzelne Akteure aber sehr unterschiedlich umgingen“, sagt Prof. Dr. Bernhard Strauß vom Universitätsklinikum Jena. Der Direktor des Instituts für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie leitet seit 2019 einen deutschlandweiten Forschungsverbund, der die Rolle von Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologie im Gesundheitswesen der DDR untersucht. Das Bundesforschungsministerium verlängerte jetzt die Förderung um weitere zwei Jahre.
Das Jenaer Teilprojekt widmet sich der Psychotherapie in der DDR, die - so ein Befund - trotz teilweise widriger Bedingungen ein breites Spektrum an eigenständigen Entwicklungen hervorbrachte, die aber im „Westen“ wenig wahrgenommen wurden und nach 1989 auch rasch an Bedeutung verloren, da man sich an das Gesundheitssystem der BRD vollständig anpassen musste. Prof. Strauß: „Die Psychotherapie lässt sich nicht per se als subversive Szene auffassen, einige Therapeuten und Therapeutinnen waren sehr stark mit dem Staat identifiziert. Jedoch kann anhand unserer Ergebnisse davon ausgegangen werden, dass die Einnahme einer psychotherapeutischen Haltung in Anbetracht der jeweiligen Bildungsbiografie durchaus möglich war.“
Analoge und digitale Ausstellung „Seelenarbeit im Sozialismus“
Am Verbund beteiligt ist auch die Universitätsmedizin Rostock, in deren Teilprojekt die Psychiatrie in der DDR Gegenstand ist. Das Projektteam der Universität Erlangen Nürnberg untersucht die Strukturen der Psychofächer im sozialistischen Gesundheitssystem. In der ersten Förderphase wurde zudem an der Fachhochschule Dortmund die Rolle der Psychologie erforscht. Ein wesentliches Ziel der nun gestarteten zweiten Förderphase ist die Gestaltung einer analogen und digitalen Ausstellung zur „Seelenarbeit im Sozialismus“. Sie soll die Projektergebnisse für die Wissenschaft, für Bildungseinrichtungen und alle interessierten Personen langfristig verfügbar zu machen.
Ehemalige Therapiepatientinnen und -patienten gesucht
Fortgesetzt wird auch die Forschungsarbeit in den Teilprojekten. Das Jenaer Projektteam möchte für die Untersuchung der DDR-Psychotherapie nun verstärkt die Sicht der Patientinnen und Patienten berücksichtigen. Nicht zuletzt aufgrund der Einschränkungen durch die Pandemie war es zuvor schwer möglich Personen, die vor mehr als drei Jahrzehnten Psychotherapie erhalten hatten, für Interviews zu gewinnen. „Deshalb freuen wir uns über jede Unterstützung durch Menschen, die uns den Kontakt zu ehemaligen Psychotherapiepatientinnen oder -patienten vermitteln können oder die selbst in dieser Rolle bereit sind, an einem Gespräch teilzunehmen“, so Prof. Strauß. Interessierte können telefonisch unter 03641/9398046 oder per E-Mail an Kontakt zum Projektteam aufnehmen.
Kontakt:
Prof. Dr. Bernhard Strauß
Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie, Universitätsklinikum Jena
Projektteam: Dipl.-Psych. Kristina Noeh, 03641/9398046,