Regionale Versorgungsmodelle variieren stark
Die verschiedenen Formen ambulanter und stationärer Hospiz- und Palliativversorgung werden regional sehr unterschiedlich in Anspruch genommen. Auch Qualität, Kosten und Kosteneffektivität der Versorgung variieren regional stark. Während im Zeitraum von 2016 bis 2021 z.B. in Bayern 36,3 Prozent der palliativ versorgten Versicherten im Krankenhaus verstarben, waren es in Westfalen-Lippe nur 23,2 Prozent. Dabei sticht der Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe nicht nur bei diesem Qualitätsindikator für gute palliative Versorgung hervor. Versorgte Menschen erhalten dort in den letzten 30 Lebenstagen auch die wenigsten belastenden Behandlungen, zu denen z.B. Rettungsdiensteinsätze, Krankenhauseinweisungen, Intensivbehandlungen, Chemotherapien oder künstliche Ernährung zählen - und das bei der im Vergleich höchsten Kosteneffektivität.
Westfalen-Lippe: Wie machen die das?
Kennzeichnend für Westfalen-Lippe ist die integrierte Struktur der ambulanten Palliativversorgung, die über einen besonderen Versorgungsvertrag geregelt ist. Während anderswo allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung streng getrennt voneinander organisiert und vergütet werden, gibt es in Westfalen-Lippe palliativmedizinische Konsiliardienste. Sobald eine palliative Versorgung notwendig wird, können diese die Hausärztinnen und Hausärzte in der Versorgung von Menschen am Lebensende flexibel unterstützen. Die KV-weite Verbreitung und Bekanntheit des Versorgungsvertrags fördert die Zusammenarbeit aller Beteiligten, z.B. auch mit Rettungsdiensten und Pflegeheimen bei der Vermeidung unnötiger Behandlungen. Der in die hausärztliche Versorgung integrierte Konsiliardienst arbeitet zudem deutlich kosteneffektiver: So fällt in Westfalen-Lippe je Fall nur ein Fünftel der Kosten an, die im Bundesdurchschnitt für die SAPV zu verzeichnen sind.
Detailinformationen bis auf Kreisebene
Viele Kennzahlen des pallCompare Monitors sind bis auf Kreisebene sowie nach Erkrankungen und Versorgungssetting differenzierbar. Sie zeigen kleinräumige Unterschiede und Auffälligkeiten, z.B. die besonders große Spanne innerhalb der Landkreise Thüringens bei Rettungsdiensteinsätzen im letzten Lebensmonat von 26,8% im Saale-Orla-Kreis bis 46,5% im Wartburgkreis. „Der Monitor macht auch deutlich, dass Palliativversorgung dazu beitragen kann, dass Sterben seltener im Krankenhaus stattfindet, dass der Palliativversorgungsgrad bei Patienten mit Krebs höher ist als bislang bekannt, aber auch, dass zuhause palliativ versorgte Menschen deutlich mehr belastende Therapien erhalten als solche im Pflegeheim“ ergänzt Prof. Dr. Ulrich Wedding von der Palliativmedizin des Universitätsklinikums Jena weitere Befunde.
Effiziente Versorgung auch am Lebensende
Der demografische Wandel lässt den Bedarf an palliativer Versorgung steigen und führt gleichzeitig zu sinkenden personellen Ressourcen dafür - effiziente Versorgungsmodelle sind also unabdingbar. „Der pallCompare Monitor und das integrierte Versorgungsmodell Westfalen-Lippe liefern maßgebliche Hinweise, wie viele Menschen am Lebensende mit gutem Ergebnis kosteneffektiv versorgt werden können“, so Antje Freytag. Um die Evaluation der Palliativversorgung erweitern zu können, spricht sich ihr Projektteam für eine Fortführung des Datenportals, das zunächst die BARMER-Daten bis 2021 umfasst, und eine Ausdehnung der Datenbasis auf weitere Krankenkassen aus.
Weitere Informationen:
- pallCompare Monitor Hospiz- und Palliativversorgung: https://www.bifg.de/projekte/pallcompare
- pallCompare Projekthomepage: http://www.uniklinikum-jena.de/allgemeinmedizin/Forschung/pallCompare.html
- Originalpublikationen:
- Freytag, A., Meissner, F., Krause, M. et al.Ergebnisqualität und Kosten der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung in Deutschland im regionalen Vergleich: eine GKV-Routinedatenstudie. Bundesgesundheitsbl 66, 1135–1145 (2023). https://doi.org/10.1007/s00103-023-03746-9
- Ditscheid, B., Meissner, F., Gebel, C. et al.Inanspruchnahme von Palliativversorgung am Lebensende in Deutschland: zeitlicher Verlauf (2016–2019) und regionale Variabilität. Bundesgesundheitsbl 66, 432–442 (2023). https://doi.org/10.1007/s00103-023-03683-7
- Pressemitteilung der Barmer: Palliativversorgung legt deutlich zu – Neuer Monitor liefert detaillierte Daten | BARMER
Kontakt:
PD Dr. Antje Freytag
Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena