Jena (UKJ/ac). Vertraute Stimmen, Gerüche und viel Wärme: All das und noch viel mehr geben Angehörige den Patientinnen und Patienten auf einer Intensivstation – und können damit zum Wohlbefinden beitragen. Die vier Intensivstationen (ITS) des Universitätsklinikums Jena (UKJ) wurden nun mit dem Zertifikat „Angehörigenfreundliche Intensivstationen“ der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. (DGF) ausgezeichnet. Die DGF bescheinigt dem UKJ als einzige Klinik in Thüringen damit, pflegewissenschaftliche Erkenntnisse zur Rolle der Angehörigen für Intensiv-Patienten in der Praxis umzusetzen. Hauptkriterien der Zertifizierung sind der Verzicht auf feste Besuchszeiten und die aktive Einbindung der Angehörigen in die Entscheidungs- und Versorgungsprozesse. Das Zertifikat ist drei Jahre gültig. Die für die Zertifizierung notwendigen Grundlagen wurden im Rahmen der Fachweiterbildung für Intensiv- und Anästhesiepflege am UKJ konzipiert.
Mit ganz verschiedenen Maßnahmen wird die Rolle der Angehörigen auf den Intensivstationen am UKJ gestärkt. Der Schwerpunkt liegt darauf, dass Angehörige nun nach Rücksprache jederzeit die Patienten besuchen und sich mit dem Fachpersonal austauschen können. „Diese Flexibilität zu ermöglichen, ist sehr anspruchsvoll. Denn dafür sind viele Abstimmungen zwischen ärztlichen, pflegerischen und psychologischen Kolleginnen und Kollegen notwendig und ein hohes Maß an Rücksichtnahme – auch von den Angehörigen“, so Norman Micka, Pflegedienstleitung der Intensivstationen am UKJ. Bei ihren Besuchen können die Angehörigen auf Wunsch auch aktiv in den Versorgungsprozess integriert werden, beispielsweise beim Anreichen von Essen. Umfangreiches Informationsmaterial und individuelle Angehörigenschulungen nehmen ihnen dabei die Berührungsängste. Der umgestaltete Aufenthaltsraum ermöglicht es den Angehörigen, sich bei ihren Besuchen auch zurückziehen und neue Kraft schöpfen zu können.
„Wir möchten herausfinden, was der Patient in der aktuellen Situation am meisten braucht – hier können Angehörige entscheidend helfen, da sie den Betroffenen am besten kennen“, weiß Dr. Teresa Deffner, Psychologin auf den Intensivstationen am UKJ. Deshalb begleitet sie gemeinsam mit zwei Kolleginnen die Angehörigen mit intensiven Gesprächen nicht nur bei Neuaufnahme, sondern auch über längere Verläufe hinweg, beim Tod eines Patienten und darüber hinaus. „Auch Kinder sind auf unseren Intensivstationen willkommen. Die Besuche mit Kindern sind besonders sensibel, weshalb wir sie zu Beginn intensiv begleiten“, so Teresa Deffner. Außerdem steht den Eltern spezielles Informationsmaterial für Kinder zur Verfügung.
Die Bedeutung von Angehörigen für Intensiv-Patienten hat in den vergangenen Jahren bereits kontinuierlich zugenommen. „Dennoch können sie noch besser integriert werden“, ist sich Maria Kortgen sicher, die zusammen mit Ralf Hochmuth am UKJ für die berufsbegleitende, zweijährige Fachweiterbildung in der Intensiv- und Anästhesiepflege zuständig ist. Deshalb stand das Thema angehörigenfreundliche Intensivstation im Fokus des Weiterbildungs-Jahrgangs 2020. Die 18 Teilnehmenden erstellten ein umfangreiches Konzept dazu, wie Intensivstationen angehörigenfreundlicher gestaltet werden können. „Das Konzept ist dabei ganz bewusst offen gestaltet, damit es nun auch die externen Teilnehmenden in ihren Kliniken umsetzen können“, so Maria Kortgen. „Die erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen und die anschließende Zertifizierung am UKJ bestätigt die hohe Qualität, mit der sich unsere Teilnehmenden beim Projekt engagiert haben – und das trotz der coronabedingten Mehrbelastung.“ Die erfolgreiche Übertragung der theoretischen Erkenntnisse in die Praxis haben Maria Kortgen und Ralf Hochmuth zudem davon überzeugt, die Projektstruktur auch bei den künftigen Fachweiterbildungen beibehalten zu wollen.