Repair – Rehabilitation und Erforschung lang- und mittelfristiger Folgen der Sepsis
Neben früher Diagnose und schneller Behandlung der Sepsis beeinflusst auch die mittel- und langfristige Versorgung von Sepsisüberlebenden das klinische Gesamtresultat und die Lebensqualität der Betroffenen. Während aktuelle Daten eine Abnahme der sepsisbedingten Sterblichkeit auf Intensivstationen und in Kliniken belegen, fehlen detaillierte epidemiologische Daten über mittel- und langfristige Krankheitsfolgen im Zusammenhang mit einer überstandenen Sepsis. Trotz der hohen klinischen Relevanz sind die biologischen Mechanismen, die den Folgeerkrankungen zugrunde liegen, kaum verstanden; auch Behandlungsoptionen fehlen. Mit der sinkenden Sterblichkeit steigt die Belastung durch Sepsisfolgen (burden of disease) sowohl für ehemalige Patienten und ihre Angehörigen als auch für das Gesundheitswesen. Forschungsfeld Repair widmet sich den derzeitigen Wissenslücken hinsichtlich mittel- und langfristiger Sepsisfolgen.
Der Kern des Forschungsbereichs besteht aus drei klinischen Studien und zwei translationalen Projekten:
E
EncRescueEncRescue
Pathomechanismen und neue Behandlungsstrategien Sepsis-induzierter kognitiver Fehlfunktion
Kognitive Defizite nach einer Sepsis sind ein häufiges Problem. Die Symptome umfassen Gedächtnis- sowie Lernstörungen, aber auch alltägliche Verrichtungen fallen Patienten nach einer schweren Entzündung oftmals schwer. Die Defizite sind langdauernd, manchmal irreversibel und für die Betroffenen und die Angehörigen zumeist schwerwiegend. Aufgrund der stetig besseren akutmedizinischen Versorgung steigt die Anzahl der Sepsis-Überlebenden kontinuierlich an, sodass auch die Kosten für das Gesundheitssystem zur Versorgung dieser Patienten nach dem Krankenhausaufenthalt weiter steigen. Große klinische Studien belegen, dass etwa 70 % der Patienten bei Entlassung aus dem Krankenhaus und etwa 45 % der Patienten noch nach einem Jahr beeinträchtigende kognitive Störungen haben. Eine aktuelle Studie zeigt, dass etwa ein Drittel der Patienten eine dementielle Symptomatik haben, die der einer milden Form der Alzheimer-Erkrankung entspricht.
Im Gegensatz zu der Häufigkeit und der hohen klinischen Relevanz sind die Ursachen für die Entstehung dieser kognitiven Fehlfunktion weitestgehend unbekannt. Therapeutische Optionen zur ursächlichen Behandlung dieser schwerwiegenden Symptome fehlen vollständig. Im Vorfeld zu dem Projekt EncRescue haben wir ein Mausmodell für eine schwere Sepsis zur Evaluation Sepsis-induzierter neurokognitiver Langzeitfolgen etabliert und charakteristische Verhaltensdefizite, elektrophysiologische Auffälligkeiten und neurochemische Veränderungen im Gehirn festgestellt. Im Projekt EncRescue werden wir in diesem Mausmodell neuartige therapeutische Ansätze untersuchen, die direkt mit pathophysiologischen Prozessen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung dieser Fehlfunktionen interferieren. Hierbei sind spezifische Maßnahmen zur Veränderung der Genregulation vorgesehen sowie pharmakologische Versuche, die einen direkt translationalen Ansatz für die spätere Anwendung bei betroffenen Patienten haben.
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IcosmosIcosmos
Verbesserung der Qualität bei der Infektionskontrolle und im Sepsis-Management in Kontrollregionen
Sepsis - wichtiger Fokus der Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen
- Sepsis ist eine häufige Erkrankung mit steigender Fallzahl, erheblicher Sterblichkeit und hohem Ressourcenverbrauch
- Qualitätsinitiativen konnten die Sepsis-Krankenhaussterblichkeit um 10 - 30% senken.
ICOSMOS - für nachhaltige Verbesserung der Versorgungsqualität
- individuelle Berichte über Qualitätsindikatoren - Vergleich mit teilnehmenden Krankenhäusern und deutschem Durchschnitt
- Unterstützung bei Schulungsmaßnahmen zur adäquaten Kodierung
- Unterstützung bei der Etablierung bzw. Weiterentwicklung eines Qualitätsmanagements für Sepsis
- Schulungs- und Aufklärungsmaterialen für Weiterbildung
- Fakultative Teilnahme an externem Peer Review Verfahren
ICOSMOS - geringer Aufwand, geringe Kosten, hohe Sicherheit und Vertraulichkeit
- Keine extra Dokumentation - Analyse der Routinedaten nach §21 KHEntgG
- Kosten der Datenverarbeitung und Erstellung der Qualitätsberichte werden durch Mittel des BMBF getragen.
- Kooperation zur Datenanalyse und Aufbereitung mit 3M Health Information Systems (3M HIS), einem im Bereich Qualitätsmanagement und der Arbeit mit Routinedaten sehr erfahrenen Unternehmen, das nach den gleichen Prinzipien seit über 10 Jahren diese Funktion für andere Qualitätsinitiativen im Krankenhaus innehat.
- Gewährleistung von Datenschutz und Geheimhaltung - keine Veröffentlichungen von Daten der individuellen Häuser durch das Projektteam, kein Zugang anderer Stellen des UKJ zu den Daten der partizipierenden Krankenhäuser
- Geringe jährliche Teilnahmegebühr
M
Mid-German Sepsis CohortMSC
Mid-German Sepsis Cohort
Die „Mid-German Sepsis Cohort (MSC)“ ist geplant als die weltweit größte Kohortenstudie, die umfassend die funktionalen, kognitiven und psychischen Folgen sowie die Veränderung der Lebensqualität nach der Behandlung einer schweren Sepsis auf der Intensivstation (ITS) erheben wird.
Für die MSC ist eine Rekrutierungsdauer von 3 Jahren und einer zunächst finanzierten Nachbeobachtungsperiode von einem Jahr vorgesehen, 5 Jahre Nachbeobachtung werden angestrebt. Insgesamt sind 5 Studienzentren an der Rekrutierung beteiligt. Eingeschlossen werden Patientinnen und Patienten, die auf einer ITS wegen einer schweren Sepsis/eines septischen Schocks behandelt wurden und die bei Entlassung mindestens 18 Jahre sind und für die eine Einverständniserklärung vorliegt. Es gibt keine gesonderten Ausschlusskriterien. Patientinnen und Patienten werden nach Entlassung von der Intensivstation möglichst lange in regelmäßigen Abständen nachbeobachtet werden. Neben allgemeinen Charakteristiken der Patienten und ihrer intensivmedizinischen Behandlung werden insbesondere ihre funktionellen Fähigkeiten erfasst, die als „activities of daily living“ bzw. „instrumental activities of daily living“ (z.B. Laufen, Anziehen, Waschen) bezeichnet werden. Daneben werden weitere patientenrelevante Endpunkte wie z.B. gesundheitsbezogene Lebensqualität, kognitive Einschränkungen, posttraumatischer Stress, Angst und Depression sowie neuromuskuläre Defizite, Schmerz, Schlafstörungen, das Gewicht und die Wiederaufnahme der Arbeit erfasst werden. Teilnehmenden Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen wird auf Wunsch eine Versorgungsplattform geboten. Ultimativ werden die generierten Ergebnisse dazu beitragen, spezielle, adaptierte Rehabilitationsmaßnahmen zu entwickeln.
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RepairRepair
Behandlung Post-traumatischer Belastungsstörung nach schwerer Sepsis von Patienten und deren Lebenspartnern
Psychische Störungen wie die Post-traumatische Belastungsstörung (PTBS) sind häufige Folgen einer intensivmedizinischen Behandlung bei schwerer Sepsis und betreffen neben Patienten auch deren Angehörige.
Primäres Ziel des Projektes ist die Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit einer internet-basierten Therapie der Post-traumatischen Belastungsstörung bei Patienten, die eine schwere Sepsis überlebt haben, sowie deren Lebenspartnern.
Die Studienteilnehmer werden im Rahmen der Studie nach dem Zufallsprinzip entweder einer Therapiegruppe oder einer Warteliste zugewiesen. Patienten der Therapiegruppe nehmen an einer Therapeuten-gestützten, internet-basierte Schreibtherapie zur Behandlung der PTBS, bestehend aus zwei wöchentlichen Schreibaufgaben über einen Zeitraum von 6 Wochen (insgesamt 11 Schreibaufgaben) teil. Eine Wartliste dient als Kontrollgruppe, um die spontane Remission zu kontrollieren. Diese Teilnehmer erhalten die Schreibtherapie nach etwa 6 Wochen im Anschluss an ihre Wartezeit.
Eingeschlossen werden erwachsene Patienten nach schwerer Sepsis, mit intensivmedizinischer Behandlung von mehr als 5 Tagen, oder Lebenspartner dieser Patienten. Diese müssen eine gesicherte Diagnose einer PTBS aufweisen, die mit der intensivmedizinischen Behandlung in Zusammenhang steht. Ausschlusskriterien sind Fehlen eines Lebenspartners, akute Psychose, Suizidabsichten, Depression, Einnahme von Neuroleptika und gleichzeitige psychotherapeutische Behandlung.
Zentrales Kriterium zur Beurteilung der Wirksamkeit der Schreibtherapie ist die Symptomschwere der PTBS nach deren Beendigung (etwa 6 Wochen nach Therapiebeginn). Weitere Ergebnisparameter sind Remission der PTBS, Depressivität, Angst, Somatisierung, Partnerschaftszufriedenheit, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Therapieabbruch dienen als sekundäre Endpunkte. Es erfolgen Nacherhebungen zur Einschätzung der längerfristigen Therapiewirksamkeit nach 3, 6 bzw. 12 Monaten.
Insgesamt sollen 98 Patienten mit Partner in die Studie eingeschlossen werden. Die Studie ist auf 36 Monate angelegt, mit einer Rekrutierungsdauer von 24 Monaten.
Weitere Informationen erhalten Betroffene und Interessierte auf der Webseite der dazugehörigen Behandlungsplattform www.zweileben.net.
S
SepSysSepSys
Systembiologie der Sepsis
Unser Ziel ist, systembiologische Modelle zu entwickeln, um
- Moleküle, Signal- und Stoffwechselwege zu finden, die für die ungebundene Entzündungsantwort bei Sepsis relevant sind, damit sollen
- die molekularen Mechanismen entschlüsselt werden,
- Biomarker für die Frühdiagnose bestimmt werden, und
- spezifische Wirkstofftargets identifiziert werden.
Um das zu erreichen, werden neue Methoden entwickelt und molekulare Hochdurchsatzdatensätze von Sepsispatienten und Tiemodellen integriert, wie z.B. Genexpressions-, genomische, metabolomische, Proteomics- und Sequenzierdaten. Wir werden Modelle entwickeln, mit denen die Regulation von Signal und Stoffwechselwegen in verschiedenen Organen beobachtet werden kann. Wir analysieren die mögliche Auswirkung genetischer Varianten auf den klinischen Verlauf der Sepsis. Im speziellen sollen Varianten die zu Proteinfehlfunktion führen, in Patienten mit unerwartet gutem klinischen Verlauf gefunden werden, da diese Varianten auf potenzielle Wirkstofftargets schließen lassen. Methodisch werden wir genregulatorische Modelle für Signalwege und Stoffwechselwege entwickeln und diese Modelle verknüpfen, um die spezifische Regulation der betroffenen Zellen zu charakterisieren. Zusätzlich werden wir statistische Abhängigkeitsmodelle entwickeln, um die Regulation der verschiedenen Organe zu verbinden und um wichtige Mediator-Moleküle zu finden. Diese Moleküle können auf als potenzielle Wirkstofftargets dienen. Unsere Vorhersagen sollen experimentell von unseren CSCC Kooperationspartner validiert werden.
STARDUsT
Stratifying and treating sepsis-associated cognitive dysfunction
Projektleitung
Unter den Langzeitfolgen einer Sepsis stellen besonders kognitive Defizite ein zentrales und beeinträchtigendes Probleme für die Betroffenen dar. Die Beeinträchtigungen betreffen vor allem die Bereiche Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen. Bisher existiert kein Biomarker, der während der Sepsis oder späterer Erholungsstadien das Risiko für kognitive Langzeitfolgen valide vorhersagen, und damit zur Stratifizierung solcher Patienten, die von einer Therapie profitieren, dienen könnte. Außerdem wurden bisher keine machbaren und effektiven Trainingsstrategien zur Verbesserung der Kognition in diesen Patienten evaluiert.
Im translationalen STARDUsT Pilotprojekt untersuchen wir, ob Serum-Analysen der Neurofilament-Leichtkette einen möglichen prädiktiven Marker darstellen könnten für eine Sepsis-induzierte Enzephalopathie, die zur Entwicklung von kognitiven Dysfunktionen prädisponiert. Außerdem untersuchen wir, ob visuelle Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnisfunktionen durch ein spezifisches, von den Patienten zuhause zu absolvierendes, neuropsychologisches Training verbessert werden können.
Wir werden Neurofilament Analysen und neuropsychologisches Training in 60 in Screenings voruntersuchten Post-Sepsis-Patienten aus der Mitteldeutschen Sepsis-Kohorte (MSC) durchführen. Die Neurofilament-Testung wird mit Hilfe modernster „single-molecule array“ (SiMoA) Technologie durchgeführt. In Kooperation mit der ICROS Studie wird das Potential als Biomarker zusätzlich durch Untersuchungen an Patienten mit akuter Sepsis verifiziert.
MSC Patienten, die laut etabliertem Demenz-Screening an einer leichten kognitiven Beeinträchtigung („Mild Cognitive Impairment“, MCI) leiden, aber keine manifeste Demenz zeigen, werden einem proof-of-principle computerisiertem Training zu Hause zugeführt, das sich als effektiv in der Verbesserung kognitiver Funktionen bei älteren Menschen erwiesen hat. Bei diesem modernen digitalisierten medizinischen Ansatz wird das Training der Kohorte telemedizinisch supervidiert durch einen Psychologen. Dieser untersucht die Patienten auch neuropsychologisch vor- und nach, um die Trainingseffekte zu evaluieren.