Ein gutes Gehör ist eine wichtige Voraussetzung für den Spracherwerb von Kleinkindern. Die Sprachentwicklung selbst ist in ihren Grundzügen etwa im dritten Lebensjahr abgeschlossen. Das setzt voraus, dass Hörstörungen lange vor Vollendung des dritten Lebensjahres erkannt werden müssen. Das ist nicht einfach, denn Säuglinge oder Kleinkinder können uns nicht sagen, ob sie etwas gehört haben oder vor allem, was sie gehört haben.
Heute kann man mit Hörgeräten oder Cochlea - Implantaten, schwerhörige oder gar taube Kinder therapieren und damit in die Lage versetzen, Sprache zu erlernen. Diese großartigen Möglichkeiten nützen aber nur, wenn man die Hörstörung frühzeitig erkennt und ihr Ausmaß bestimmt.
Eine erste Stufe der Früherkennung war das Neugeborenen-Hörscreening, welches die Phoniatrie-Pädaudiologie im Jahr 1998 in der Frauenklinik begann. Seit einigen Jahren wird es von den Schwestern der Geburtsklinik selbständig durchgeführt. Es versetzt uns in die Lage, Hörschädigungen bereits in den ersten Lebenstagen festzustellen. Bei auffälligen Kindern sind Folgeuntersuchungen notwendig. Eine Aufgabe der Folgeuntersuchungen ist es, das Ausmaß der Hörstörung so zu bestimmen, dass ein Hörgerät danach angepasst oder die Indikation für ein Cochlea-Implantat verlässlich gestellt werden kann.
Ein Hörgerät kann nur eingestellt werden, wenn die Hörschwelle des Kindes bekannt ist. Kinder können eine Hörschwelle bei der Tonaudiometrie erst angeben, wenn sie älter als 3 Jahre sind. Es bleiben also nur objektive Verfahren zur Bestimmung der Hörschwelle übrig. Eines dieser Verfahren ist die so genannte Hirnstammaudiometrie. Man stimuliert das Gehör über Kopfhörer mit Schallreizen, die sich je nach dem Untersuchungsziel unterscheiden. Das Innenohr wandelt diese akustischen Reize in elektrische Ladungen um, die entlang des Hörnervs zum auditorischen Kortex wandern. Diese elektrischen Ladungen kann man mit Hilfe von Elektroden abgreifen und messen.
Die Hirnstammaudiometrie gibt zuverlässig Auskunft darüber, dass ein solcher Ladungstransport zum auditorischen Kortex stattfindet. Leider ist es so, dass die elektrischen Signale immer kleiner werden, je weiter man sich der Hörschwelle nähert. Irgendwann verschwinden diese Signale und man kann nicht genau sagen, ob das bereits die Hörschwelle ist oder nicht. Es gibt auch keine verlässlichen Korrekturwerte, die aussagen, dass die tatsächliche Hörschwelle des Kindes 10 oder 20dB unterhalb der gemessenen Werte liegt. Die tatsächlichen Abweichungen hängen von vielen Faktoren ab, die nur wenig vom Messaufbau beeinflusst werden können. Das können der tatsächliche Abstand der Nervenfasern zum Klebepunkt der Elektroden oder die muskuläre Aktivität der Patienten während der Messung sein.
In der zu bearbeitenden Studie soll untersucht werden, ob man aus den Amplituden der Potenziale, die sicher ableitbar sind, auf die Hörschwelle schließen (extrapolieren) kann.
Methodisch werden drei Gruppen von Probanden untersucht. Dies sind eine Gruppe normal hörender Erwachsener, eine Gruppe Erwachsener mit Innenohrschwerhörigkeit und eine Gruppe größere Kinder. Bei allen Personen werden Tonschwellenaudiogramme angefertigt und die Hirnstammpotenziale gemessen. Die Potenzialamplituden werden ausgewertet und in Beziehung gesetzt zu einer Lautstärkeskalierung. Die Lautstärkeskalierung ist ein subjektives Verfahren, in dem die Probanden die wahrgenommene Lautstärke von Geräuschen bewerten. Die Unterschiede in den Kurven für das Wachstum der Potenzial-amplituden und der Lautstärken werden gegenübergestellt und verglichen.
Erste Ergebnisse zeigen, dass man sich der tatsächlichen Hörschwelle auf diese Weise besser annähern kann.
Nach Abschluss der Studie und Übernahme in die Praxis können so im Neugeborenenscreening vermutete Schwerhörigkeiten besser eingeschätzt und Hörgeräte bei Säuglingen und Kleinkindern exakter als bisher eingestellt werden.