Häufig ist keine unmittelbare Wiederherstellung möglich. Nach einigen Monaten bis 18 Monate (in Einzelfällen bis 24 Monate oder länger nach Auftreten der Lähmung) wird nur selten eine Wiederherstellung durch eine direkte Naht oder eine Nerventransplantation möglich sein. Je länger die mimische Muskulatur nicht durch einen Nerv versorgt wird, um so mehr schrumpft die Muskulatur (Muskelatrophie). Entscheidend ist nun, ob die mimische Muskulatur auf der betroffenen Seite noch soweit vorhanden ist, dass ein Ansprechen des Muskels durch einen Nerv noch möglich ist. Ist nämlich noch Muskulatur vorhanden, so führt der Nervenanschluss wieder zu einem Muskelwachstum und im besten Falle zu einer guten Muskelfunktion.
Bei jedem Patienten schauen wir uns deshalb genau den Zustand der Muskulatur an. Dazu untersuchen wir die Gesichtsmuskulatur mir einer Elektromyographie (EMG) und zusätzlich durch eine Ultraschall-Untersuchung. Mit einem hochauflösenden Ultraschall sind wir in der Lage, selbst die kleinen Gesichtsmuskeln darzustellen. Zeigen Elektromyographie und Ultraschall ausreichend Muskulatur, dann können wir noch eine Operation mit Nervenanschluss vornehmen. Dieses Vorgehen ist somit viel genauer nur auf die Zeitdauer nach der Verletzung des Gesichtsnervs zu schauen.
Das Verfahren der Wahl ist in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums in Jena eine Rekonstruktion durch den gleichseitigen Zungennerv (Nervus hypoglossus). Bei dieser so genannten Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose wird der gleichseitige Zungennerv durchtrennt und der Nerv an den Gesichtsnerv jenseits der Schädigungsstelle angenäht. Dieses Verfahren wird auch zu einer sofortigen Rekonstruktion angewandt, wenn der Gesichtsnerv über eine so lange Strecke zerstört ist, dass eine Nerventransplantation nicht mehr möglich ist. Die Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose ist ein sehr sicheres Verfahren. Binnen 12 Monaten kommt es zu einer Erholung der Ruhespannung des Gesichtes und zu einer deutlichen Besserung der Beweglichkeit. Die kräftige Wiederherstellung der Gesichtsbeweglichkeit hat aber auch Nachteile. Die Patienten klagen möglicherweise über starke Synkinesien. Zwangsläufig tritt zudem eine leichte bis im schlimmsten Fall deutliche Lähmung der gleichseitigen Zungenhälfte auf. Daher wir heutzutage die klassische Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose dahingehend verändert, dass der Zungennerv nicht ganz durchtrennt wird, sondern nur gespalten wird, und so nur ein Teil des Nervs für die Wiederherstellung der Gesichtsbeweglichkeit genutzt wird (sogenannte Hypoglossus-Fazialis-Jump-Nervenanastomose). In diesem Fall ist nur selten eine wesentliche Zungenlähmung zu beobachten. Da weniger Nervenfasern zur Rekonstruktion zur Verfügung stehen, läuft die Erholung der Gesichtsbewegung langsamer ab - Veränderungen stellen sich bis 18 bis 24 Monate nach Operation ein. Insgesamt ist die Gesichtsbeweglichkeit geringer als nach einer klassischen Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose mit dem Vorteil, dass aber möglicherweise die Synkinesien geringer ausgeprägt sind. Nach einer Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose muss der Patient durch eine intensive Übungsbehandlung lernen, durch (gedachte) Bewegungen der Zunge das Gesicht zu bewegen. Zunächst müssen sehr bewusst Zungenbewegungen vollführt werden, um eine Gesichtsbewegung zu erzeugen. Mit zunehmender Übung werden im besten Fall die Gesichtsbewegungen ohne bewussten Einsatz der Zunge vollbracht.
Eine solche Übungsbehandlung, dies gilt auch für die anderen Maßnahmen zur Rekonstruktion des Nervs, ergeben erst dann Sinn, wenn nach frühestens 6 Monaten wieder Nervenfasern in die Gesichtsmuskulatur ausgewachsen sind. Zuvor ist es natürlich unmöglich, durch gezielte Zungenbewegungen das Gesicht zu bewegen.
Wiederherstellung der Gesichtsbewegung durch eine dynamische Muskelplastik oder statische Maßnahmen
Alle oben dargestellten Wiederherstellungsmaßnahmen am Nerv haben den Nachteil, dass der Patient in etwa weitere 12 bis 18 Monate warten muss, bis sich wieder eine Bewegung im Gesicht einstellt. Eine sofortige Wiederherstellung ist durch eine Muskelplastik möglich. Diese Operationsverfahren sind zudem anzuwenden, wenn die Lähmung über 2 bis 3 Jahre her ist, so dass eine Nerven-Wiederherstellung nicht mehr sinnvoll ist. Nach einem so langen Zeitraum ist der Gesichtnerv narbig umgewandelt und auch die Gesichtsmuskulatur unwiederbringlich verkümmert, dass eine Nervenrekonstruktion nicht mehr sinnvoll ist. Es sind für diesen Fall dynamische Maßnahmen, bei denen wieder eine Beweglichkeit erzielt werden soll, von statischen Maßnahmen abzugrenzen, die ausschließlich zum Ziel haben wieder eine Ruhespannung im Gesicht zu erzeugen.
Dynamische Muskelplastik mit einem Kaumuskel
Hierbei wird einer der gleichseitigen Kaumuskeln von seiner normalen Position verlagert und im Mundwinkel aufgehängt. Dies sorgt sofort wieder für eine gute Spannung im Mundbereich. Am Auge sind die Ergebnisse nicht so gut, sodass zumeist auf eine Aufhängung am Auge verzichtet wird. Hier bietet sich zusätzlich ein anderes, besseres Verfahren an. Nach einer solchen Muskelplastik muss der Patient lernen durch Kaubewegungen das Gesicht zu bewegen. Da bei dieser Operation nur Muskeln versetzt werden, kann unmittelbar nach Abschluss der Wundheilung mit der Übungsbehandlung begonnen werden. Die Ergebnisse sind nicht so gut wie nach einer Nervenrekonstruktion. Die Bewegung des Mundes bleibt im Vergleich zur normalen Funktion wesentlich gröber. Auf jeden Fall kann mit einer solchen Maßnahme verhindert werden, dass dem Patienten zum Beispiel weiter beim Essen unkontrolliert Flüssigkeit aus dem Mund läuft.
Statische Maßnahmen
Anstatt einer Muskelverlagerung kann auch kräftige Muskelhaut von Oberschenkel-Beinmuskeln oder eine Sehne eines Unterarmmuskels wie ein Zügel zwischen Mundwinkel und Wangenknochen aufgespannt werden. Hiermit erzielt man sofort eine gute Ruhespannung des unteren Gesichts. Eine verbesserte Bewegung des Gesichtes tritt nicht ein.
Die Sonderstellung des Auges: Statische Maßnahmen am Auge
Die einfachste Möglichkeit das Auge zu schützen, besteht im Tragen eines Uhrglasverbands. Dies wird von vielen Patienten auf Dauer als sehr störend empfunden. Zudem kann hiermit eine Augenentzündung nicht sicher verhindert werden. Das operative Verfahren der Wahl zur Wiederherstellung des Augenschlusses ist in Deutschland das Einsetzen eines Goldgewichts (neuerdings auch mit Platingewichten möglich). Dieses Goldgewicht wird in einer lokalen Betäubung in das Oberlid eingenäht. Durch das Gewicht wird das Auge passiv geschlossen. Das Öffnen des Auges bleibt weiter möglich, da es einen Augenöffnungs-Muskel gibt, der nicht vom Gesichtsnerv gesteuert wird und der regelrecht funktioniert. Die Operation ist kurz und risikoarm. Ein Gewicht kann auch im Rahmen der anderen oben genannten Operationen eingesetzt werden; kommt es dann zum Beispiel nach einer Nervenrekonstruktion zu einer Erholung der Augenschluss-Muskulatur, so kann das Gewicht problemlos wieder entfernt werden.
Die genannten chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten sind die am häufigsten eingesetzten Verfahren. Daneben gibt es noch eine Vielzahl kleinerer operativer Eingriffe, die im Einzelfall ergänzend eingesetzt werden.