3. Jenaer Neuroradiologie-Symposium - ein didaktisch gelungener Zugang zum Spinalkanal
Joachim Böttcher
Am 1. April 2011 veranstaltete das Team um Professor Dr. Thomas E. Mayer, Leiter der Sektion Neuroradiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, das 3. Jenaer Neuro-radiologie-Symposium.
Nach dem Themenschwerpunkt „Hirnstamm“ im letzten Jahr galt es in der diesjährigen überregionalen Fortbildungsveranstaltung der Sektion Neuroradiologie im Zentrum für Radiologie des Universitätsklinikums Jena in sinnvoller Ergänzung das neuroradiologische Wissen zum Thema „Spinalkanal“ zu intensivieren. Das von Professor Mayer initiierte Neuroradiologie-Symposium erfreut sich einer stetigen Zunahme an teilnehmenden Gästen; nach 140 Teilnehmern im Jahre 2010 konnte das Team um Professor Mayer nunmehr 264 Teilnehmer unterschiedlichster Fachgebiete begrüßen. Das sehr gut strukturierte Programm des diesjährigen Symposiums begeisterte nicht nur über 160 Radiologen, Neuroradiologen und Nuklearmediziner durch detaillierte Informationen unter anderem zur Anatomie und Ontogenese des Spinalkanals, sondern konnte auch Ärzten der Fachgebiete Neurologie, Neurochirurgie, Orthopädie und anderer Spezialitäten die neuesten Informationen zur Dia-gnostik und Therapie spinaler Erkrankungen vermitteln. Zudem nahmen ca. 50 Studenten und MTRA teil, denen zusätzlich ein eigener Programmteil angeboten wurde.
Das ganztägige Symposium gliederte sich in einen theoretischen und in einen praktischen Weiterbildungsabschnitt mit insgesamt vier Sitzungen. Im ersten Weiterbildungsteil wurden die Anatomie und Ontogenese des Spinalkanals aus anatomischer Sicht vorgestellt. Weitere Vorträge vermittelten Detailwissen zur Bildgebung der Wirbelsäule unter zusätzlicher Be-rücksichtigung auch kinderradiologischer Besonderheiten. Aus neuropathologischer Sicht wurden Raumforderungen des Spinalkanals systematisch charakterisiert und durch die Klinik für Neurochirurgie das Spektrum neurochirurgischer Eingriffe an der Wirbelsäule vorgestellt.
Workshop: Kontinuierliche proximale Thrombusaspiration am Flußmodell.
In der zweiten Sitzung sorgten zwei Beiträge aus der Klinik für Neurochirurgie hinsichtlich der Wertigkeit der MRT bei Wirbelsäulenfrakturen und bezüglich der neurochirurgischen An-forderungen an die spinale bildgebende Diagnostik für reichlich Diskussionsbedarf. Schließ-lich ist die ständige Verfügbarkeit einer hochqualitativen MRT-Diagnostik über 24 Stunden eine durchaus ambitionierte Forderung, gerade im Rahmen einer nichtuniversitären Krankenversorgung eher unrealistisch. Ein spannender Vortrag zur Bewertung des Schleu-dertraumas und möglicher traumatischer Schädigungen des zervikalen Bandapparates, vorgetragen durch Dr. Peter Schmidt (leitender Oberarzt der Sektion Neuroradiologie), informierte über neueste Studienergebnisse, welche die vieldiskutierte bildmorphologische Darstellung und Anatomie der Ligamenta alaria als auch deren Bedeutung bei persistieren-den Beschwerdekonstellationen nach einem Distorsionstrauma der Halswirbelsäule zum Inhalt hatten. Basierend auf den Bilddaten der MRT-Diagnostik (3-Tesla-Technik) ist mög-licherweise eine Neubewertung scheinbarer ligamentärer Pathologien erforderlich, zumal die von einigen Gruppen beschriebenen und propagierten Pathologien nach Schleudertrauma sich als Normalbefund herausstellten. Durch PD Dr. Hubertus Axer gelang eine begeisternde und hochinteressante Darstellung zum Teil komplexer nichttraumatischer Myelopathien anhand von systematischen Deskriptionen der spinalen Bahnensysteme und illustrierter Fallberichte.
In der nachfolgenden dritten Sitzung wurde durch Dr. Robert Drescher (Sektion Neuro-radiologie) ein gelungener radiologischer Überblick zur Differentialdiagnostik tumoröser und entzündlicher Erkrankungen der Wirbelsäule und des Spinalkanals gegeben. Aufgrund der zunehmend besseren Therapieoptionen rheumatischer Erkrankungen stellte der Vortrag von PD Dr. Andreas Hansch (Sektion Neuroradiologie der FSU Jena) einen weiteren Höhenpunkt dar, in dem die rheumatischen Veränderungen der Wirbelsäule und deren bildgebende Vi-sualisierung sehr systematisch dem Publikum nähergebracht wurden. Weitere Vorträge zu degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen und zur interventionellen spinalen Schmerz-therapie (durch Dr. Sascha Schiffler, Neuroradiologie), die von seiten der Patienten eine wachsende Akzeptanz erfährt, waren sicherlich für die Teilnehmer unterschiedlichster Fach-gebiete von hoher klinischer Relevanz.
Workshop: Aneurysmatherapie mit Stent und Flowdevirter.
Durch den Vortrag von Professor Dr. Thomas E. Mayer wurde der theoretische Abschnitt des Symposiums mit einem sehr interessanten Vortrag zur interventionellen Therapie spinaler vaskulärer Malformationen abgeschlossen. Im Rahmen dieses Vortrages konnte Professor Mayer auf die immer noch unzureichende Diagnosestellung spinaler vaskulärer Malformationen hinweisen und die Teilnehmer dahin-gehend sensibilisieren, daß die Therapie derartiger spinaler Gefäßmalformationen zum Teil exzellente Erfolgsaussichten beinhaltet.
Insgesamt 35 Teilnehmer konnten sich im weiteren Verlauf des Symposiums auf ein reich-haltiges Angebot an unterschiedlichen Workshops freuen. Ein Highlight war die durch Dr. Uta Biedermann (Institut für Anatomie, FSU Jena) zelebrierte detaillierte anatomische Demon-stration des Rückenmarks und seiner Hüllen anhand aufwendig vorbereiteter anatomischer Präparate. Die modernsten neuroradiologischen Interventionstechniken wurden dem inter-essierten Teilnehmer mit ausreichenden Möglichkeiten zur eigenständigen praktischen Handhabung vorgestellt. Neben dem Carotisstenting, das unter Neuroprotektion am Simu-lator (Firma Boston Scientific, Neurovascular) erfolgte, wurde auch intrakraniell Innovatives zur Ausschaltung von Aneurysmata mit Hilfe von Flowdivertern beziehungsweise einer Stentimplantation (Firma ab medica-Deutschland GmbH & Co. KG) trainiert. Weitere Interventionen am Flußmodell (Firma Codman, Johnson & Johnson Company) begeisterten durch praktische Erfahrungen in der Ausschaltung intrakranieller Aneurysmata mittels Coiling. Aktuell gewinnt die mechanische Thrombektomie zur Therapie des Schlaganfalls an stetig wachsender klinischer Bedeutung. Aus diesem Grunde wurden den Teilnehmern zwei neue Therapieoptionen nahegebracht, die eine mechanische Entfernung von thromboti-schem Material aus den intrakraniellen Gefäßen ermöglichen; zum einen wurde die kontinu-ierliche proximale Thrombusaspiration am Flußmodell (Firma Penumbra Europe GmbH) de-tailliert vorgestellt. Mit diesem System gelingt die Thrombusaspiration bis in die peripheren Anteile der Arteria cerebri media unter kontinuierlicher mechanischer Aspiration mit Hilfe eines speziellen Pumpensystems, so daß schonend auch ausgedehnte Thrombusanteile endovaskulär entfernt werden können. Zum anderen wurden praktische Erfahrungen mit einem Stent-basierten Thrombektomiesystem der Firma Concentric Medical Europe gesam-melt. Dieses System besteht aus einem nichtablösbaren Nitinol-Stent, der innerhalb des Thrombusmaterials im Gefäß entfaltet und zusammen mit dem Thrombus extrahiert werden kann. Obwohl das Symposium gegen 8 Uhr begonnen hatte, waren die unentwegtesten Teilnehmer der Workshops noch bis 21:30 Uhr aktiv.
Workshop Anatomie: Demonstration des Rückenmarks in situ durch Dr. Uta Biedermann, Anatomie, FSU Jena.
Insgesamt konnte das 3. Jenaer Neuroradiologie-Symposium wie schon die vorhergehenden Fortbildungsveranstaltungen erneut durch die wohlstrukturierten Vorträge mit sehr guten Referenten als auch durch die Einblicke in die praktische Neuroradiologie begeistern, so daß die exzellente Evaluation dieser Veranstaltung durch die Teilnehmer nicht überraschte. Aus diesem Grunde freuen sich alle neuroradiologisch Interessierten bereits auf die Fortsetzung der insbesondere von Grit Seeling hervorragend organisierten Fortbildungsreihe, die mit dem 4. Jenaer Neuroradiologie-Symposium im April 2012 den Fokus auf den „Cortex cerebri“ legen wird.
PD Dr. med. Joachim BöttcherChefarzt am SRH Wald-Klinikum GeragGmbHInstitut für Radiologische DiagnostikStraße des Friedens 12207548 Gera
3. Jenaer Neuroradiologie-Symposium
01. April 2011,
Hörsaal 2, Universitätsklinikum Jena-Lobeda, Erlanger Allee 101