In welchem Zusammenhang stehen Infektionen und Alter?
Prof. Pletz: Bei den meisten Infektionen sehen wir einen U-förmigen Verlauf. Das heißt, dass bei Kleinkindern aufgrund des noch unreifen Immunsystems viele Infektionen auftreten, deren Anzahl im Laufe des weiteren Lebens aber immer mehr zurückgeht, weil wir durch den häufigen Kontakt zur Umwelt einen Schutz aufbauen. Ab dem 60. Lebensjahr altert das Immunsystem jedoch wieder, der Schutz nimmt ab und die Häufigkeit der Infektionen wieder zu.
Welche Infektionen belasten ältere Menschen am meisten?
Prof. Pletz: Die ambulant erworbene Pneumonie, also die außerhalb des Krankenhauses erworbene Lungenentzündung, ist die häufigste Infektion, die zu einer Krankenhauseinweisung führt. Das durchschnittliche Alter dieser Patienten beträgt 74 Jahre. Jedes Jahr werden in Deutschland rund 250.000 Menschen wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingewiesen. Vermutlich noch einmal so viele stellen sich mit der Erkrankung beim Hausarzt vor. Die Sterblichkeit der Patienten mit Lungenentzündung im Krankenhaus liegt bei 14 Prozent. Im Vergleich zu anderen Infektionen geht eine Lungenentzündung am häufigsten in eine Sepsis über.
Was sind die Auslöser für eine Pneumonie?
Prof. Pletz: Die häufigsten Auslöser sind Pneumokokken und Influenza. Am schlimmsten ist es, wenn beide Erreger gleichzeitig auftreten – dann steigt die Sterblichkeit deutlich an. Der beste Schutz ist, sich impfen zu lassen. Weil sich das Influenza-Virus jährlich verändert, muss die Impfung jedes Jahr stattfinden. Bei den Pneumokokken existieren 94 verschiedene Typen, eine Impfung gegen 23 Typen ist möglich und wird ab dem 60. Lebensjahr empfohlen.
Welche neuen Impf-Empfehlungen gibt es?
Prof. Pletz: Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt seit diesem Jahr, dass die Pneumokokken-Impfung ab dem 60. Lebensjahr alle sechs Jahre aufgefrischt werden soll. Menschen mit einem geschwächten Immunsystem – also beispielsweise mit einer Tumorerkrankung oder nach einer Transplantation – sollten sich zusätzlich einmal mit einem Impfstoff gegen weitere 13 Pneumokokken-Typen schützen. Dieser ist ursprünglich speziell für Kinder entwickelt worden, weil das kindliche Immunsystem mit dem für Erwachsene entwickelten Impfstoff wenig anfangen konnte. In beiden Fällen handelt es sich um Totimpfstoffe. Wichtig ist auch die Reihenfolge der Impfungen: Der Schutz ist am besten, wenn erst der Kinderimpfstoff und nach sechs bis zwölf Monaten der Standardimpfstoff gegeben wird. Neu ist außerdem, dass sich Gießer und Schweißer aufgrund der Metallrauchexposition am Arbeitsplatz alle sechs Jahre gegen Pneumokokken impfen lassen sollten.
Was macht Infektionen bei älteren Menschen kompliziert?
Prof. Pletz: Kinder fiebern meist hoch und beginnen schnell zu husten, so dass Infektionen schnell erkannt werden. Bei Älteren ist dies nicht immer der Fall. Wenn Menschen zunehmend verwirrt sind beziehungsweise eine Verwirrtheit neu auftritt, kann eine Infektion dahinterstecken. Mit diesen Symptomen wird im Krankenhaus oft alles Mögliche abgeklärt – bis hin zum Schlaganfall. Wichtig ist dann, auch an mögliche Infektionen zu denken.
Was kann getan werden, um Infektionen vorzubeugen?
Prof. Pletz: Bei der Prophylaxe der Lungenentzündung spielt neben den Impfungen die Mundhygiene eine wichtige Rolle, da die Bakterien von hier in die Lunge gelangen können. Auf das Rauchen sollte verzichtet werden, weil es die Flimmerhärchen lähmt und somit den wichtigen Abwehrmechanismus der Lunge blockiert. Auch große Mengen Alkohol sorgen dafür, dass die Immunabwehr nicht so gut funktioniert, wie sie sollte. Der beste Schutz sind, wie gesagt, Impfungen.
Was kann getan werden, damit mehr ältere Menschen sich impfen lassen?
Prof. Pletz: Wir sind Kooperationspartner im InfectControl 2020 Verbundvorhaben „Impfen 60+“. Im Rahmen dieser Studie wollen Mediziner gemeinsam mit Psychologen und Kommunikationswissenschaftlern in Thüringen herausfinden, was Menschen daran hindert, sich impfen zu lassen. Nach den Befragungen soll Schulungsmaterial mit gezielten Informationen über Impfungen und die Folgen des Nicht-Impfens entstehen, um über 60-Jährigen die Impfentscheidung zu erleichtern.
(Interview: Anke Schleenvoigt)