Chronische myeloische Leukämie (CML)
Die chronische myeloische Leukämie (CML) stellt eine Modellerkrankung für Diagnostik und Therapie neoplastischer Erkrankungen dar. Die zu Grunde liegende zytogenetische Aberration, das Philadelphia-Chromosom, mit der BCR-ABL-Genfusion sowie der mehrstufige Verlauf mit der stabilen, therapeutisch gut zu beeinflussenden chronischen Phase, der Akzelerations- und der Blastenphase ermöglichen die Übertragung molekular-zytogenetischer Erkenntnisse in die klinische Anwendung. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts wurden neben der allogenen Stammzelltransplantation vor allem Hydroxyharnstoff und Interferon alpha (IFN) eingesetzt. Mit IFN wurden bei einem Teil der Patienten erstmals zytogenetische Remissionen mit verbesserter Prognose erreicht. Mit der Einführung von Imatinib (Glivec®, Zulassung in Deutschland 2001) wurde die Behandlung von CML revolutioniert. In allen Prognosegruppen und in jedem Alter wurde eine deutliche Überlegenheit von Imatinib gegenüber einer IFN-basierten Therapie und das langfristige Überleben von CML-Patienten erheblich verbessert. Zur Zeit beträgt die jährliche Mortalität ca. 2%, d.h. die Prävalenz der Erkrankung steigt bei konstanter Inzidenz stetig an.
Therapieoptimierung durch Zweitgenerationsinhibitoren
Nach dem Erfolg von Imatinib wurden weitere Tyrosinkinase-Inhibitoren mit verbesserter Wirksamkeit entwickelt. Nilotinib (Novartis) wirkt BCR-ABL-spezifischer, inhibiert wie Imatinib auch die Tyrosinkinasen PDGFR und KIT und zeigt eine bessere zelluläre Bioverfügbarkeit. Dasatinib (Bristol Myers Squibb) ist ein Multikinase-Inhibitor mit Wirkung auf ABL, SRC, PDGFR und KIT. Bosutinib (Pfizer) ist ebenfalls ein SRC/ABL-Inhibitor, weist aber keine signifikante Wirksamkeit gegenüber den PDGF-Rezeptoren und KIT auf. Nach Publikation der 12-Monats-Daten im Sommer 2010 (9;14) liegen jetzt die 24-Monats-Ergebnisse der randomisierten Studien zwischen Nilotinib (ENESTnd) sowie Dasatinib (DASISION) im Vergleich zu Imatinib vor (Hochhaus et al., EHA 2011).
Die ENESTnd-Studie (14) untersuchte im randomisierten Vergleich zwei Dosierungen von Nilotinib (400 mg und 300 mg zweimal täglich) und Imatinib 400 mg/Tag und rekrutierte 846 Patienten in 217 Zentren in 35 Ländern. Primärer Endpunkt war ein gutes molekulares Ansprechen („major molecular response“, BCR-ABL <0,1%, MMR) nach 12 Monaten. Nach 24 Monaten werden immer noch mehr als 90% der Patienten unabhängig von der aktuellen Therapie beobachtet, wobei 67% im Imatinib-Arm und 74% im Nilotinib-Arm weiterhin die primäre Studientherapie erhalten. Nach 24 Monaten erreichten 71% der Nilotinib (2x300mg) Patienten und nur 44% der Imatinib-Patienten eine MMR. Eine tiefere molekulare Remission (MR4,5 = BCR-ABL <0,0032%) wurde bei 25% der Patienten unter Nilotinib 2x300mg, gegenüber 9% der Imatinib-Patienten erreicht. Wichtigstes Studienergebnis war der Schutz vor Krabkheitsprogression unter Nilotinib: nur 0,7% der Nilotinib-Patienten, gegenüber 4,2% der Imatinib-Patienten erlitten einen Krankheitsprogress. BCR-ABL-Mutationen wurden bei 10 Patienten im Nilotinib-2x300mg-Arm und 20 Patienten im Imatinib-Arm nachgewiesen. Nilotinib wurde gut vertragen; Wassereinlagerungen, Durchfall, Muskelkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Neutropenie traten weit weniger bei der Behandlung mit Nilotinib als mit Imatinib auf, während Kopfschmerzen, Juckreiz, Hautausschlag, Bilirubin- und Glukoseerhöhung häufiger beobachtet wurden.
In der DASISION-Studie (9) wurde Dasatinib 100mg/d mit Imatinib 400mg/d bei Patienten mit neu diagnostizierter CML verglichen. Das Hauptziel der Studie war ein vollständiges zytogenetisches Ansprechen (CCyR) in zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen. Nach 24 Monaten nahmen 77% der Dasatinib- und 75% der Imatinib-Patienten noch an der Studie teil. 64% der Dasatinib- und 46% der Imatinib-Patienten erreichten eine MMR und 17% bzw. 8% eine MR4,5. 2,3% der Dasatinib- und 5% der Imatinib-Patienten erlitten eine Progression, davon hatte kein Patient zuvor eine MMR erreicht. Neun Patienten waren jedoch nach der CCyR progredient; dies unterstreicht die Bedeutung der MMR als Marker für eine stabile Erkrankung. Von den Patienten, die die Behandlung abgebrochen hatten, zeigten in beiden Studienarmen 15% BCR-ABL-Mutationen. Unter Imatinib-Therapie wurde ein breiteres Spektrum verschiedener Mutationen im Vergleich zu Dasatinib beobachtet. T315I-Mutationen wurden bei 7 Patienten unter Dasatinib, aber nicht unter Imatinib nachgewiesen. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Dasatinib waren Wassereinlagerungen (alle Grade 25%), Muskelschmerzen (22%), Durchfall (19%), Pleuraerguss (14%), Wassereinlagerungen (11%) und Thrombozytopenie (Grad 3 oder 4 19%). Pleuraergüsse und Thrombopenien traten unter Dasatinib häufiger auf als unter Imatinib.
Bosutinib ist noch nicht für die Behandlung bei CML zugelassen. In der BELA-Studie (Brümmendorf et al., EHA 2011) wurde Bosutinib 500mg/Tag mit Imatinib 400mg/Tag im Einsatz bei neu diagnostizierten CML-Patienten verglichen. Hauptziel der Studie war das Erreichen einer CCyR nach 18 Monaten und wurde von 79% der Patienten in beiden Behandlungsarmen erreicht, d. h. es gab keinen Vorteil bei Bosutinib gegenüber Imatinib im Sinne des Hauptzielkriteriums. 2% der Bosutinib- und 5% der Imatinib-Patienten erlitten einen Krankheitsprogress. Die häufigsten Bosutinib-Nebenwirkungen waren vorübergehender Durchfall (69%) und Lebertoxizität. Auch mit Bosutinib wird das molekulare Ansprechen schneller als mit Imatinib erreicht und ein Schutz vor früher Progression erzielt. Angesichts der häufigen initialen Nebenwirkungen ist eine Dosisoptimierung unerläßlich.
Klinische Relevanz
Die höhere Rate zytogenetischer und molekularer Remissionen im Vergleich zu Imatinib führte für Nilotinib und Dasatinib zur Erstlinienzulassung für die Therapie der CML. Längere Beobachtungszeiten haben die Überlegenheit von Nilotinib und Dasatinib gegenüber Imatinib für die Behandlung von Patienten mit neu diagnostizierter CML in chronischer Phase bestätigt. Häufige Imatinib-abhängige Nebenwirkungen konnten durch Zweitgenerationsinhibitoren verbessert werden. Für Bosutinib steht die Zulassung noch aus. Die Daten dieser drei Studien können nicht direkt miteinander verglichen werden - die Studien hatten verschiedene Prüfstrukturen, Hauptziele sowie Definitionen von Ansprechkriterien und Endpunkten. Wichtigste Ergebnisse der Studien sind der Schutz vor fortgeschrittener Erkrankung (signifikant für Nilotinib). Tiefere molekulare Remissionen bieten die Aussicht, den Anteil der Patienten zu erhöhen, die ihre Therapie in der Zukunft vollständig und sicher abbrechen können.
Optimierung der Imatinib-Dosierung durch verträglichkeitsadaptierten Hochdosistherapie
Eine erhöhte Imatinib-Dosis konnte die Remissionsrate von Patienten mit suboptimalem Ansprechen verbessern. Die CML-IV-Studie der Deutschen CML-Studiengruppe (6) untersuchte in einem 4-armigen randomisierten Vergleich mit 1014 Patienten die Effektivität von Imatinib in der Standarddosis von 400 mg/Tag gegen Hochdosis-Imatinib, welches verträglichkeitsadaptiert angepasst wurde, sowie Imatinib+IFN und Imatinib+Ara-C. Der primäre Endpunkt war das Erreichen einer guten molekularen Remission zum 12-Monats-Zeitpunkt. Unter der verträglichkeitsadaptierten Hochdosistherapie (mediane Dosis 628 mg/Tag) betrug die MMR-Rate nach 12 Monaten 59% gegenüber 44% unter der Standarddosis. Unabhängig vom Therapieverfahren zeigten Patienten mit MMR nach 12 Monaten ein besseres progressionsfreies und Gesamtüberleben im Vergleich zu Patienten mit BCR-ABL-Werten >1%, nicht aber im Vergleich zu Patienten mit BCR-ABL-Werten zwischen 0,1 und 1%.
Die Ergebnisse unterscheiden sich von der TOPS-Studie (3), die 400 und 800 mg Imatinib verglich. Aufgrund einer höheren Nebenwirkungsrate der Hochdosistherapie war die Abbruchrate relativ hoch und es wurde deshalb kein besseres Langzeitansprechen erreicht. Der Vergleich beider Studien zeigt die Notwendigkeit der Dosisanpassung der Hochdosistherapie bei Imatinib-induzierten Nebenwirkungen.
Klinische Relevanz
Die Therapie der CML in chronischer Phase kann durch eine primär eingesetzte höhere, individuell eingestellte Imatinib-Dosis optimiert werden. CCyR und MMR nach 12 Monaten sind mit einem Überlebensvorteil assoziiert.
Absetzen des Tyrosinkinase-Inhibitors bei tiefer molekularer Remission möglich
Ist ein Absetzen des Tyrosinkinase-Inhibitors bei anhaltender molekularer Remission möglich? Diese Frage wurde in der STop-IMatinib (STIM)-Studie in 19 französischen Zentren untersucht (10). Imatinib wurde nach mehr als 2-jähriger Negativität in der Real-Time-PCR abgesetzt. Von 69 Patienten wiesen nach einer mindestens 12-monatigen Nachbeobachtungszeit 42 (61%) molekulare Rezidive auf. Alle Patienten reagierten auf die wiederholte Gabe von Imatinib; 26 erreichten erneut eine molekulare Remission.
Eine weitere Möglichkeit ist die Erhaltungstherapie mit IFN nach Absetzen des Tyrosinkinase-Inhibitors. In einer Pilotstudie wurde die Imatinib-Therapie bei 20 Patienten, die gleichzeitig mit Imatinib und IFN über einen medianen Zeitraum von 2,5 Jahren behandelt wurden, gestoppt und der Remissionsstatus durch quantitative PCR überwacht (2). Nach einer medianen Zeit von 2,4 Jahren nach Imatinib-Absetzen verblieben 15 der 20 Patienten in Remission. Molekulare Rezidive traten bei 5 Patienten auf und konnten durch erneute Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren erfolgreich behandelt werden. Die IFN-Monotherapie war mit einem Anstieg der Expression der Proteinase-3-mRNA und der Induktion von zytotoxischen T-Lymphozyten assoziiert.
Klinische Relevanz
Die anhaltende molekulare Remission nach Absetzen von Imatinib ist vielversprechend auf dem Weg der Heilung der CML. Die notwendige Therapiedauer mit Tyrosinkinase-Inhibitoren, die Dauer und Tiefe der molekularen Remission müssen in zukünftigen Studien multivariat untersucht werden. Die STIM-Studie ist Grundlage für weitere Untersuchungen, die die Stabilität der molekularen Remission nach rascherem und tieferem Ansprechen mit Zweitgenerations-Tyrosinkinaseinhibitoren untersuchen werden. Die Rezidive belegen das Vorhandensein von residuellen leukämischen Stammzellen mit der Fähigkeit der Repopulation des Knochenmarks. Eine Erhaltungstherapie mit (pegyliertem) IFN ist in der Lage, molekulare Remissionen zu erhalten oder zu verbessern.
Kombination mit Interferon alpha verbessert Ansprechen und Langzeitergebnisse
636 unbehandelte Patienten mit CML in chronischer Phase wurden in der französischen SPIRIT-Studie randomisiert zwischen den vier Therapiearmen Imatinib 400mg/Tag, Imatinib plus niedrig-dosiertes Ara-C oder pegyliertes IFN a2a oder Imatinib 600mg (13). Endpunkte der Studie waren das molekulare und zytogenetische Ansprechen, die Zeit zum Therapieversagen, das Gesamt- und ereignisfreie Überleben, und das Nebenwirklungsprofil der Therapien. Nach 12 Monaten war das zytogenetische Ansprechen innerhalb der vier Gruppen ähnlich. Die Rate des molekularen Ansprechens (MR4) mit BCR-ABL-Werten <0,01% war in der Gruppe Imatinib+IFN (30%) signifikant höher als bei Patienten, die Imatinib 400mg erhielten (14%, p=0,001). Gastrointestinale Nebenwirkungen waren häufiger in der Gruppe Imatinib+Ara-C, während Hautausschlag und Depressionen häufiger unter Imatinib-IFN beobachtet wurden.
In einer skandinavischen Studie erhielten Patienten in kompletter hämatologischer Remission unter Imatinib eine Kombination aus Imatinib und pegyliertem IFNa2b (15). Im Vergleich zur Imatinib-Standardtherapie konnte mit der Kombinationstherapie die MMR-Rate deutlich verbessert werden (82% vs. 54%).
Klinische Relevanz
Die Kombination aus Imatinib und pegyliertem IFN bietet höhere Remissionsraten bei guter Verträglichkeit und Induktion eines langzeitig wirksamem T-Zell-aktivierendem Effekt des IFN. Die Kombination wird in Zukunft auch mit Zweitgenerationsinhibitoren untersucht.
Zweitlinientherapie nach Mutationsstatus
Die Wahl der Zweitlinientherapie erfolgt in erster Linie nach den vorliegenden BCR-ABL-Mutationen. Das Ansprechen auf Nilotinib war besonders günstig bei Patienten ohne BCR-ABL-Mutation oder mit Mutationen mit einer In-vitro-Sensitivität <150 nM. Patienten mit Mutationen mit einer reduzierten oder aufgehobenen Empfindlichkeit auf Nilotinib in vitro sprachen auch in vivo schlecht an (Y253H, E255V/K, F359V/C und T315I).
Unter Dasatinib zeigten Patienten mit Mutationen mit geringerer Sensitivität (IC50>3nM; Q252H, E255K/V, V299L, F317L) zeigten geringere Ansprechraten als Patienten mit Mutationen mit höherer In-vitro-Sensitivität. Im Falle des Vorliegens der Mutation T315I wird eine experimentelle Therapie, z.B. mit Ponatinib (Ariad Pharmaceuticals), oder eine allogene Stammzelltransplantation empfohlen (1, 7).
Klinische Relevanz
Die Verfügbarkeit von drei zugelassenen und zwei in Entwicklung befindlichen Tyrosinkinase-Inhibitoren ermöglicht die individualisierte Therapie nach zytogenetischem und molekularem Ansprechen, nach klinischen Kriterien in Bezug auf das Nebenwirkungsspektrum und nach Mutationsstatus bei Resistenz auf die Primärtherapie.
Standardisierte Messung des therapeutischen Ansprechens möglich
Die bisher gebräuchlichen Prognoseparameter Sokal- und Hasford-Score wurden vor der Tyrosinkinase-Inhibitor-Ära entwickelt. Deshalb wurde im Rahmen eines Registers im Rahmen der „European Treatment and outcome Study“ (EUTOS) von 2060 Patienten, die eine Erstlinientherapie mit Imatinib erhielten, ein neuer Score etabliert und validiert (5). Der EUTOS-Score nutzt den Anteil der Basophilen im peripheren Blut und die Milzgröße zum Diagnosezeitpunkt zur Vorhersage der Chance auf das Erreichen einer CCyR. Die 5-Jahres-Überlebensraten unterschieden sich zwischen Niedrig- und Hochrisikopatienten ebenfalls deutlich (90% vs. 82%).
Optimale Therapieergebnisse können nur bei systematischer Beobachtung des therapeutischen Ansprechens erreicht werden. Vom Europäischen Leukämienetz (ELN) wird nach Therapiebeginn eine drei- bis sechsmonatliche zytogenetische Untersuchung des Knochenmarks bis zur CCyR empfohlen. Nach bestätigter CCyR ist eine Knochenmarkuntersuchung nur zur Evaluation einer persistierenden Zytopenie sowie vor jedem Therapiewechsel erforderlich. Allerdings sollte eine dreimonatliche quantitative PCR-Untersuchung unter Angabe der BCR-ABL-Last nach dem Internationalen Standard (IS, 12) erfolgen. Eine Mutationsanalyse wird bei deutlichem (>5-fachem) Anstieg der BCR-ABL-Last unter gleichzeitigem Verlust der MMR empfohlen. Bei allen Patienten mit steigenden Transkript-Zahlen sollte die Compliance überprüft bzw. die Neueinnahme von Medikamenten erfragt werden, die die Wirkung der Tyrosinkinse-Inhibitoren beeinträchtigen können.
Ungünstige Risikofaktoren mit reduzierter Chance auf ein optimales Ansprechen schliessen hohe klinische Parameter (Sokal-, Hasford- oder EUTOS-Score), die fehlende CCyR nach einem Jahr, eine klonale Evolution der CML unter Therapie sowie einen deutlichen Anstieg der BCR-ABL-Transkripte mit Verlust der MMR ein. Die häufigste Ursache der Resistenz sind BCR-ABL-Punktmutationen mit verminderter bis aufgehobener Wirksamkeit des Tyrosinkinse-Inhibitors.
Die BCR-ABL-Mutationsanalyse wird bei klinischem Verdacht auf eine primäre oder sekundäre Resistenz, aber nicht als Routine-Screeningverfahren empfohlen (7). Therapieoptionen für Patienten nach Versagen der Standardtherapie beinhalten den Einsatz der Zweitgenerations-Inhibitoren Nilotinib oder Dasatinib, den Einschluss des Patienten in eine klinische Studie, oder die Durchführung einer allogenen Stammzelltransplantation.
Bei Verfügbarkeit der standardisierten quantitativen PCR (12) können auch PCR-Meilensteine als Richtschnur für das therapeutische Ansprechen verwendet werden. In der IRIS-Studie hatten Patienten mit BCR-ABL-Transkripten >10% nach 6 Monaten und >1% nach 12 Monaten hatten ein schlechteres ereignisfreies Überleben und höhere Progressionsraten im Vergleich zu allen anderen Gruppen.
Patienten mit einer MMR nach 18 Monaten zeigten stabile progressionsfreie Remissionen und einem ereignisfreien Überleben von 95% nach 7 Jahren. Das Risiko des Verlustes der CCyR innerhalb von 7 Jahren betrug nur 3% bei Patienten in MMR nach 18 Monaten gegenüber 26% für Patienten mit einer CCyR ohne MMR (P<0,001). Die Daten belegen eine Assoziation zwischen dem Grad der Reduktion der BCR-ABL-Transkripte und langfristiger Therapieergebnisse und unterstützen die Verwendung von zeitabhängigen molekularen Markern zur Optimierung der Therapieergebnisse (8).
Die Zukunft der CML-Therapie
Nach Zulassung von Nilotinib und Dasatinib stehen drei Tyrosinkinaseinhibitoren für den Erstlinieneinsatz zur Verfügung. Das optimale und individualisierte Therapieschema muss in weiteren klinischen Studien etabliert werden. In Entwicklung befindliche Tyrosinkinase-Inhibitoren mit unterschiedlichen Wirkungen auf BCR-ABL-Mutationen und andere Targets sind Bosutinib und das T315I-aktive Ponatinib. Die Effektivität und Tolerabilität von IFN wird in Studien in Kombination mit oder als Erhaltungstherapie nach Tyrosinkinaseinhibitoren untersucht (4). Ein Beispiel ist die multizentrische CML-V-Studie (Tasigna/Interferon-Studie in Germany, TIGER-Studie).
Offene Fragen der Therapie der CML sind die Behandlungsdauer bei Patienten mit gutem Ansprechen, Verbesserung der Therapiecompliance (11), Persistenz einer minimalen Resterkrankung bei den meisten Patienten, sowie der Stellenwert von Kombinationstherapien. Prospektive klinische Studien, beispielsweise der deutschen CML-Studiengruppe, wollen diese Fragen beantworten.
Zur frühen Identifizierung von Patienten mit suboptimalem Ansprechen und von Rezidiven wird ein konsequentes hämatologisches, zytogenetisches und molekulares Monitoring empfohlen. Eine Standardisierung der quantitativen PCR ist zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen verschiedenen Laboratorien und zur klaren Identifizierung von Risikosituationen erforderlich. Die Teilnahme an klinischen Studien ermöglicht angesichts der raschen Entwicklung der medikamentösen Optionen eine Therapieoptimierung und Qualitätssicherung. Eine Übersicht der offenen Studien findet sich auf der Webseite des Kompetenznetzes „Akute und chronische Leukämien“ www.kompetenznetz-leukaemie.de. Das Konsultationszentrum CML am Universitätsklinikum Jena steht bei individuellen Fragen zur Diagnostik und Therapie der CML unter zur Verfügung.
Literatur
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