Patienteninformation Folgeerkrankungen
Nach Behandlung auf einer Intensivstation können verschiedene Beschwerden auftreten, die einerseits durch die Behandlung und andererseits durch die Schwächung des Körpers während der Intensivbehandlung entstehen. Diese Beschwerden können direkt nach der Erkrankung auftreten oder verzögert und führen oft zu einer eingeschränkten Lebensqualität und zu Herausforderungen bei der Bewältigung des Alltags.
Die Mitteldeutsche Sepsis Kohorte untersucht Sepsisfolgen bei rund 3000 Patienten. Auf den folgenden Seiten möchten wir Ihnen kurz darstellen, welche Folgebeschwerden und –erkrankungen auftreten können. Bitte beachten Sie, dass diese Liste nicht nach Häufigkeit der Beschwerden sortiert ist; ebenso besteht auch kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Gern stehen wir auch für Fragen rund um das Thema Sepsis und Sepsisfolgen zur Verfügung. Informationen zum Thema Sepsis und Kontakt mit Betroffenen vermittelt auch die Deutsche Sepsis Hilfe e.V.:
Deutsche Sepsis-Hilfe e.V.
http://www.sepsis-hilfe.org/
Mail:
Tel: 0 700 73774 700
Gewichtsverlust
Während einer Sepsis benötigt der Körper mehr Energie und Nährstoffe, als dies im alltäglichen Leben der Fall ist. Der Energieumsatz des Körpers kann um 40 bis 80% gesteigert sein. Lange Aufenthalte auf einer Intensivstation führen außerdem dazu, dass die Muskelmasse zurückgeht. Deshalb verlieren Patienten während des Intensivaufenthaltes oft Gewicht. Auch nach einer Sepsis kann dieser erhöhte Energieumsatz für längere Zeit anhalten, man bezeichnet dies als „katabole Stoffwechsellage“. Patienten nach Sepsis sind deshalb gefährdet, eine Mangelernährung zu entwickeln und dem Körper weniger Energie zuzuführen, als er benötigt. Wichtig ist deshalb, regelmäßig untersuchen zu lassen, ob ein Risiko für eine Mangelernährung vorliegt.
Schlaf- und Durchschlafprobleme
Für den menschlichen Tag-Nacht-Rhythmus stellt ein Aufenthalt auf einer Intensivstation eine große Herausforderung dar: Ständige Geräusche, nächtliche Beleuchtung, Unterbrechungen des Schlafes durch Untersuchungen und Medikamentengabe oder die Beatmung sind nur einige Gründe, warum erholsamer Schlaf auf Intensivstationen selten ist. Auch nach der Krankenhausentlassung können Schlafstörungen fortbestehen und sehr belastend für Patienten sein. Sie können sich als Ein- oder Durchschlafstörungen äußern (Insomnie). Weitere Informationen zum Thema Schlaf finden Sie außerdem auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin.
http://www.dgsm.de/patienteninformationen.php?language=german
Depression und Angstzustände
Rund 30% der Patienten leiden nach ihrer Behandlung auf einer Intensivstation an depressiven Symptomen oder Angstzuständen. Diese können sich u.a. durch gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit oder Antriebschwäche äußern. Es kann auch zu verminderter Konzentration, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust oder zu einem verminderten Selbstwertgefühl bis hin zu Selbstmordgedanken kommen. Psychische Beschwerden wie Depression können den Alltag ebenso einschränken wie körperliche Erkrankungen, so dass auch sie behandelt werden sollten. Körperliche und seelische Erkrankungen sind eng miteinander verknüpft, weshalb sich die Depression auch über körperliche Beschwerden äußern kann. Wichtig ist deshalb, im ärztlichen Gespräch offen anzusprechen, falls Sie depressive Symptome an sich beobachten. Weitere Informationen zum Thema Depressionen und Angst für Patienten finden sich auf der Homepage der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung:
http://www.patienten-information.de/kurzinformationen/psychische-erkrankungen/depression
http://www.patienten-information.de/kurzinformationen/psychische-erkrankungen/angststoerungen
Alpträume oder Traumwiederholungen aus der Komazeit, posttraumatischen Belastungsstörung
Durch die Sepsiserkrankung und die folgende Intensivtherapie werden die Patienten extremem Stress ausgesetzt, bedingt durch Beatmung, Koma, ungewohnte und dauerhafte Geräusche und dem Gefühl des Ausgeliefertseins in einer lebensbedrohlichen Situation. Genau wie z.B. Kriegserlebnisse können diese Erlebnisse traumatisieren und belasten die betroffenen Patienten oft stark. Werden diese Erlebnisse immer wieder durchlebt und kommt es zu Alpträumen, dem sozialen und emotionalen Rückzug und Vermeidungsverhalten spricht man von einer sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung. Sie tritt bei ca. 20% der Patienten nach Intensivtherapie auf und kann für die Betroffenen sehr belastend sein. Ein erster Ansprechpartner für diese Probleme kann der Hausarzt oder ein Psychotherapeut sein.
Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
Nach einer Sepsis kann es zu kurz- oder langfristigen Gedächtnisstörungen kommen. Diese können durch die der Sepsis zugrunde liegenden Entzündung oder andere Prozesse im Körper, wie einem verminderten Blutfluss im Gehirn während eines septischen Schocks, entstehen. Eine Studie in den USA konnte jüngst zeigen, dass nach einer Sepsis bei 10% der Sepsisüberlebenden eine neue Gedächtnisstörung diagnostiziert wurde – es handelt sich also um eine häufige und belastende Folgestörung nach einer Sepsis.
Erneute Sepsis und schwere Infektion und die Rolle der Milz
Sepsis und Intensivbehandlung können den Körper schwächen, weshalb ein höheres Risiko besteht, an einer erneuten schweren Infektion oder Sepsis zu erkranken. Wichtig ist deshalb, auf eine gesunde Lebensführung zu achten, Infektionsrisiken zu meiden und am wichtigsten – sich impfen zu lassen. Dies gilt insbesondere für Menschen, die ohne Milz geboren wurden oder die ihre Milz im Laufe ihres Lebens unter Umständen auch in Folge der Sepsis verloren haben. Genaue Auskünfte zu den notwendigen Impfungen erhalten Sie bei Ihrem Hausarzt oder auf den Seiten des Robert-Koch-Institutes.
Schmerzen, Fehl- und Missempfindungen und „Critical Illness Polyneuropathie/Myopathie“
Als „Critical Illness Polyneuropathie/Myopathie“ bezeichnet man die Erkrankung von Nerven oder Muskeln nach Intensivtherapie. Sie kann zu chronischen Schmerzen und Muskelschwäche/-abbau führen. Die Patienten entwickeln schwere, schlaffe Lähmungen, die alle Extremitäten betreffen können. Chronischer Schmerz wird als häufige Langzeitkomplikation der Sepsis beschrieben. Er kann zu einer Einschränkung der Lebensqualität und Alltagsaktivität beitragen und ist für die Betroffenen sehr belastend. Schmerzen, die nach Sepsis auftreten, können beispielsweise im Bereich von Wunden, Narben oder Amputationen auftreten. Auch kann es durch Mitbeteiligung von Nerven im Rahmen der Entzündungsreaktion zu so genannten neuropathischen Schmerzen kommen. Diese haben im Gegensatz zu anderen Schmerzen einen eher brennenden, elektrischen Charakter.
Riech-, Hör-, Schmeck- und Schluckstörungen
Riechen, Hören, Schmecken und Schlucken sind Vorgänge, denen gemeinsam ist, dass ihre Steuerung sehr komplexe Nervenverbindungen benötigt. Während einer Sepsis können die Nerven des Körpers ebenfalls mit von den Entzündungsprozessen betroffen sein, so dass nach Sepsis Riechen, Hören, Schmecken und Schlucken nicht in gewohnter Art und Weise möglich ist. Dazu kommt, dass durch die Beatmung und den generellen Rückgang der Muskulatur auch die zahlreichen Muskeln, die den Schluckvorgang bewirken, beeinträchtigt sein können.
Probleme, den Alltag zu bewältigen
Unter anderem bedingt durch die oben dargestellten körperlichen und seelischen Folgen kann es nach einer schweren Erkrankung wie der Sepsis nur eingeschränkt möglich sein, alltägliche Tätigkeiten in gewohnter Weise durchzuführen. Es kann daher nötig sein, zeitweise oder dauerhaft Pflege und andere Unterstützung in Anspruch nehmen zu müssen. Dazu kann die Beantragung einer Pflegestufe notwendig werden, die vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen beurteilt wird. Eine Übersicht dazu bietet das Bundesgesundheitsministerium:
http://www.bmg.bund.de/themen/pflege/pflegebeduerftigkeit/pflegestufen.html
Um die Alltagsfähigkeiten zu verbessern, gibt es verschiedene Rehabilitationsangebote und ambulante oder stationäre Therapiemöglichkeiten. Diese schließen Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie mit ein. Auch stationäre Rehabilitationstherapien sind möglich und können helfen, wichtige Funktionen wie Kraft, Koordination oder Ausdauer zu verbessern.