Neurometabolische und neurogenetische Erkrankungen
Neurometabolische und neurogenetische Erkrankungen sind häufig durch den Funktionsausfall von Transkriptionsfaktoren, Enzymen oder Transportproteinen verursacht. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen fallen durch den Verlust bereits erworbener motorischer und kognitiver Fähigkeiten, Seh- und Hörstörungen sowie zerebrale Krampfanfälle auf. Durch die modernen Methoden der Genetik, insbesondere die Exom- und Genomsequenzierung gelingt es immer häufiger eine Diagnose zu stellen. Dabei werden auch viele Erkrankungen erstmals beschrieben. Die Kenntnis des molekularen Defekts ermöglicht ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Krankheitsprozesse und in einigen Fällen auch die Entwicklung von Therapien.
In den letzten Jahren neu beschriebene Erkrankungen:
Huppke Brendel Syndrom
In Kooperation mit Prof. H. Thiele und Prof. P. Nürnberg, Cologne Center for Genomics (CCG), Uniklinik Köln konnte bei einem Patienten mit schwerer psychomotorischer Retardierung, bei dem niedrige Serumspiegel für Kupfer und Ceruloplasmin aufgefallen waren, Mutationen im SLC33A1 Gen nachgewiesen werden. Das Gen kodiert für AT-1, einem Acetyl-CoA Transporter im Golgi Apparat. Mit Experimenten konnten wir zeigen, dass die Expression von SLC33A1 in den Patientenfibroblasten stark vermindert ist und dass ein knockdown der AT-1 Expression in gesunden Leberzellen zu einer verminderten Ceruloplasminsekretion führt. Durch Kooperation mit verschieden anderen Stoffwechsellaboren, insbesondere Prof. S. Kaler, National Institute of Health, wurden weitere 4 Patienten mit ähnlichem Phänotyp identifiziert, bei denen ebenfalls Mutationen im SLC33A1 Gen nachgewiesen werden konnten. Zwischenzeitlich haben wir noch 4 weitere Patienten mit Defekten in diesem Gen identifiziert. Ziel der weiteren Forschung ist es, das Krankheitsbild und die Funktion von AT-1 noch besser zu verstehen.
Huppke, P., C. Brendel, V. Kalscheuer, G.C. Korenke, I. Marquardt, P. Freisinger, J. Christodoulou, M. Hillebrand, G. Pitelet, C. Wilson, U. Gruber-Sedlmayr, R. Ullmann, S. Haas, O. Elpeleg, G. Nurnberg, P. Nurnberg, S. Dad, L.B. Moller, S.G. Kaler, and J. Gartner, Mutations in SLC33A1 cause a lethal autosomal-recessive disorder with congenital cataracts, hearing loss, and low serum copper and ceruloplasmin. Am J Hum Genet, 2012. 90(1): p. 61-8.
Defekte in NRF2
Bei einem Patienten, der mit Muskelschwäche, Immundefizienz und Leukenzephalopathie vorgestellt wurde, fiel ein erniedrigter Homozysteinspiegel im Blut auf. Die Exomanalyse, wiederum in Kooperation mit Prof. H. Thiele und Prof. P. Nürnberg, Cologne Center for Genomics (CCG), Uniklinik Köln, ergab eine heterozygote Mutation in dem Gen NFE2L2, das für den Transkriptionsfaktor NRF2 kodiert und wir konnten zeigen, dass die Mutation die Bindung zu KEAP1, dem wichtigsten Inhibitor von NRF2, stört und so zu einer erhöhten NRF2 Konzentration führt. NRF2, das zentral ist in der Abwehr der Zelle gegen verschiedene Arten von Stress, kontrolliert die Expression von mehr als 200 Genen, wodurch sich viele der Symptome und metabolischen Auffälligkeiten bei dem Patienten erklären lassen. In Kooperation mit Prof. M. Müller, Neuro- und Sinnesphysiologie Universitätsmedizin Göttingen, konnten wir auch zeigen, dass es durch die Mutation zu einer Veränderung des Redoxzustandes im Zytosol kommt, wodurch die Funktion vieler Proteine verändert wird. Durch eine Kooperation mit Prof. J. Church, Divison of Clinical Immunology and Allergy, Childrens Hospital Los Angeles, Fatima Almusafri, Department of Pediatrics, Clinical and Metabolic Genetics, Hamad Medical Corporation, Doha, Qatar und R. Schnur, Division of Genetics, Cooper University Health Care, Cooper Medical School of Rowan University, Camden, konnten drei weitere Patienten mit diesem Krankheitsbild identifiziert werden. Mutation, die die Bindung von NRF2 and KEAP1 stören und so zu einer erhöhten Expression von NRF2 führen werden auch in verschiedenen Tumoren gefunden. Da diese Mutation mit einem schlechten Ansprechen auf eine Chemotherapie und einer schlechten Prognose assoziiert sind, gab es verschiedene Studien, die es zum Ziel hatten, Substanzen zu identifizieren, mit denen die NRF2 Konzentration reduziert werden kann. Eine dieser Substanzen, Luteolin, ist ein Blattfarbstoff, der in der chinesischen Medizin Anwendung findet. In Fibroblasten des deutschen Patienten gelang es durch Therapie mit Luteolin die NRF2 Konzentration zu senken. Im individuellen Heilversuch mit Luteolin, das keine bekannten Nebenwirkungen hat, kam es zu einer deutlichen Steigerung der Muskelkraft und Abnahme der Immunschwäche. Zusätzlich gelang es durch Therapie mit Acetylcystein, den Homozysteinspiegel im Plasma zu normalisieren. Geplant ist die bessere Beschreibung dieses neuen Krankheitsbildes (Derzeit sind 3 weitere Patienten identifiziert) und die Weiterentwicklung der Therapie. Dafür werden in Patientenfibroblasten weitere Substanzen getestet, die zu einer Verminderung der NRF2 Expression führen. Weiterhin wird das Therapieansprechen auf Luteolin und Acetylcystein bei den neuen Patienten analysiert.
Huppke, P., S. Weissbach, J.A. Church, R. Schnur, M. Krusen, S. Dreha-Kulaczewski, W.N. Kuhn-Velten, A. Wolf, B. Huppke, F. Millan, A. Begtrup, F. Almusafri, H. Thiele, J. Altmuller, P. Nurnberg, M. Muller, and J. Gartner, Activating de novo mutations in NFE2L2 encoding NRF2 cause a multisystem disorder. Nat Commun, 2017. 8(1): p. 818.
Defekte in NMNAT2
2019 erschienen ist eine Arbeit zu einem Defekt in NMNAT2, welches für ein Protein kodiert, das für die Erhaltung von peripheren Nerven notwendig ist und dessen Defekt zu einer Polyneuropathie mit Erythromelalgie führt. Dieses Projekt wurde in Kooperation mit Prof. M. Coleman, von der University of Cambridge, UK durchgeführt.
Huppke, P., E. Wegener, J. Gilley, C. Angeletti, I. Kurth, J.P.H. Drenth, C. Stadelmann, A. Barrantes-Freer, W. Bruck, H. Thiele, P. Nurnberg, J. Gartner, G. Orsomando, and M.P. Coleman, Homozygous NMNAT2 mutation in sisters with polyneuropathy and erythromelalgia. Exp Neurol, 2019. 320: p. 112958.
Defekte in FBP2
In einer Familie, in der bei 3 Mitgliedern aus zwei Generationen im 2. Lebensjahr ein Verlaust aller motorischer und mentaler Fähigkeiten aufgetreten ist und bei denen im craniellen MRT eine ausgeprägte Leukenzephalopathie gesehen wurde, fand sich eine Mutation in einem Gen, dass für einen Enzym aus der Glukoneogenese kodiert, FBP2. Erstaunlicherweise kam es bei den betroffenen Familienmitgliedern zu einer Rückbildung der Symptome in den folgenden Jahren und einer weitgehenden Normalisierung des MRT Befundes. In Kooperation mit Prof. D. Rakus aus dem Department of Molecular Physiology and Neurobiology der University of Wroclaw, Polen konnte gezeigt werden, dass der FBP2 Defekt vor allem die mitochondriale Funktion stört.
Gizak, A., S. Diegmann, S. Dreha-Kulaczewski, J. Wisniewski, P. Duda, A. Ohlenbusch, B. Huppke, M. Henneke, W. Hohne, J. Altmuller, H. Thiele, P. Nurnberg, D. Rakus, J. Gartner, and P. Huppke, A novel remitting leukodystrophy associated with a variant in FBP2. Brain Commun, 2021. 3(2): p. fcab036.