Liebe Patientin, lieber Patient,
mit der Hoffnung auf Hilfe und Heilung sind Sie ins Krankenhaus gekommen. Ärzte, Schwestern und viele andere Menschen bemühen sich um Sie.
Auch die Klinikseelsorge möchte für Sie da sein. Kranksein bringt oft Fragen mit sich, die unser Leben im Ganzen betreffen: Persönliche Probleme stellen sich, Entscheidungen müssen getroffen und Beziehungen zu anderen Menschen geklärt werden. Einsamkeit, Ungewissheit und Angst können zusätzliche belasten, manchmal brechen auch Fragen des Glaubens auf oder Sie wünschen die Spendung eines Sakramentes. Vielleicht wünschen Sie sich einen Menschen, mit dem Sie darüber sprechen können. Wir KlinikseelsorgerInnen besuchen Sie gerne. Sie können uns auf unserem Diensthandy während der Kernarbeitszeit anrufen oder durch Ärzte, Schwestern und Pfleger benachrichtigen lassen.
Informationen über Psychosen
Merkmale
Als Psychosen werden grundlegende Störungen der Wahrnehmung, des Gefühlserlebens und des Denkens bezeichnet. Diese sind oftmals in ihrer Ausprägung so schwer, dass die Betroffenen in ihren schulischen, beruflichen und familiären Bereichen deutlich beeinträchtigt werden. Charakteristisch ist das Auftreten psychotischer Symptomatik im Rahmen einer schizophrenen Erkrankung. Die Psychose umfasst verschiedene Symptome, die sich manchmal zu Beginn nur schwer von normalen Krisen oder Reaktionen auf belastende Erlebnisse abgrenzen lassen.
Typisch für die erste Erkrankung an einer schizophrenen Psychose ist z.B. das Nachlassen der schulischen Leistungen oder ein sozialer Rückzug. Es können schliesslich auch Wahrnehmungsveränderungen oder Misstrauen hinzutreten. Häufig finden sich teilweise auch Veränderungen des Gefühlserlebens, z.B. mit Zuständen von Niedergeschlagenheit. Obwohl eine schizophrene Psychose das Leben des Betroffenen grundlegend beeinträchtigen kann, ist die Erkrankung mit modernen Behandlungsmethoden mittlerweile gut therapierbar und die Betroffenen können langfristig wieder Leistungsfähigkeit und Lebenszufriedenheit gewinnen.
Ursächlich wird bei den Schizophrenen Psychosen eine Störung der Hirnentwicklung angenommen. Man geht davon aus, dass durch diese Entwicklungsstörung eine dauernde Verletzbarkeit (auch Vulnerabilität bezeichnet) entsteht. Diese führt dazu, dass selbst geringere Belastungen (Stress) bereits zu einer psychotischen Krankheitsepisode führen können. So kommt es häufig bei Heranwachsenden unter dem Einfluss von Belastungsfaktoren zu einer manifesten psychotischen Erkrankung. Es sprechen viele Belege dafür, dass eine insbesondere auch eine Störung im Gleichgewicht der Botenstoffe des Gehirns bei den Symptomen der Erkrankung eine Rolle spielt.
Gerade in den Anfangsstadien der Psychose kann sich jedoch eine eindeutige Diagnosestellung als schwierig erweisen und bedarf dazu einer eingehenden fachärztlichen Untersuchung. Es finden sich Hinweise, dass der spätere Erkrankungsverlauf umso günstiger ist, je früher eine angemessene Therapie einsetzt.
In der Zusammenschau bedarf die moderne Versorgung von Psychose-kranken Patienten eines umfassenden, von mehreren Berufsgruppen getragenen Konzeptes. In der vorliegenden Broschüre solle daher ein integriertes Versorgungsangebot für Patienten mit schizophrenen Psychosen oder bei einem Erkrankungsverdacht an der Erkrankung dargelegt werden.
Angebote
Das Behandlungskonzept der Psychiatrischen Klinik in Jena umfasst unterschiedliche Bereiche, die auf eine enge Verzahlung von stationären und ambulanten sowie weiter betreuenden Einrichtungen abzielt.
Institutsambulanz
Die psychiatrische Institutsambulanz übernimmt die ambulante Therapie insbesondere von akuten und chronisch verlaufenden oder auch schwer therapierbaren Psychosen. Auch bei unklaren Bildern mit der Notwendigkeit einer weiteren diagnostischen Abklärung ist die Institutsambulanz der erste Ansprechpartner und kann das weitere Vorgehen koordinieren.
Stationäre Therapie
Auf der spezialisierten Station 2 werden vorrangig Patienten mit psychotischen Erkrankungen behandelt. Hier kann nach erfolgter stationärer Aufnahme eine besonders intensive Betreuung mit durchgehender Therapie erfolgen. Regelmäßige Therapeutengespräche sowie Einzel- und Gruppentherapie bestimmen hier das Vorgehen. Neben der pharmakologischen Therapie werden psychoedukative und verhaltenstherapeutisch orientierte Behandlungspläne umgesetzt.
Tagesklinik
Im Rahmen der tagesklinischen Behandlung nehmen die Patienten während des Tages an allen therapeutischen Aktivitäten teil und verbringen dann die Nacht und das Wochenende in der häuslichen Umgebung. Auf diese Weise ist eine intensive therapeutische Führung bei gleichzeitigem Erhalt der häuslichen Umgebung und Eingebundenheit in z.B. familiäre Zusammenhänge, gewährleistet.
Sozialarbeiter und weiterbetreuende Einrichtungen
Die Zusammenarbeit mit komplementären Einrichtungen und Diensten ist wesentlicher Bestandteil des therapeutischen Konzeptes. Durch qualifizierte Sozialarbeiter werden Kontakte zu vor- und nachbetreuenden Einrichtungen, zu verschiedenen rehabilitativen Wohnbereichen und zu Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Pflegediensten gepflegt.
Diagnostik
Diagnostische Gespräche
Bei der Diagnosestellung steht zunächst das umfangreiche psychiatrische Gespräch im Vordergrund. Neben den aktuellen Problemen wird die Entstehung des Beschwerdebildes und der individuellen Lebensgeschichte des Patienten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Beeinträchtigungen von Konzentration und Gedächtnis werden mithilfe spezieller psychologischer Testverfahren erfasst.
Fragebögen und psychologische Testverfahren
Die Diplom-Psychologen des Teams sind in der Lage, eine intensive psychologische Diagnostik zur Abklärung der Psychose- bzw. des Psychoserisikos vorzunehmen. Die Ergebnisse werden anschließend eingehend mit den Betroffenen besprochen.
Zusatzuntersuchungen
Zur Abklärung möglicher organischer Ursachen der Erkrankung werden zusätzliche Verfahren angewendet. Hierzu gehören Labor-, EEG- und EKG-Untersuchungen. Moderne bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglichen die genauere Untersuchung von Struktur und Funktion des Gehirns.
Therapie
Moderne Psychosentherapie umfasst eine Vielzahl von ineinander greifenden Maßnahmen, von denen die wichtigsten im Folgenden aufgezeigt werden sollen.
Therapeutische Gespräche
Im Zentrum der Therapiemaßnahmen steht das therapeutische Gespräch mit stützend-führenden Anteilen. Eine tragfähige Therapeuten-Patienten-Beziehung ist eine unabdingbare Voraussetzung, die oftmals schwierigen Lebenskrisen, wie sie mit dem Erkrankung an einer Psychose einhergehen, zu bewältigen.
Pharmakotherapie
Eine Vielzahl von Untersuchungen hat gezeigt, dass eine Therapie mit Antipsychotika zu einer deutlichen Reduktion von psychotischen Symptomen führen kann. Konzentration und Aufmerksamkeit werden günstig beeinfluss. Gleichzeitig steigt die Lebenszufriedenheit und die Integration in das soziale Umfeld, die Familie und das Arbeitsleben ist wieder möglich.
Die Pharmakotherapie stützt sich vorrangig auf eine Therapie mit modernen Antipsychotika. Diese Substanzen normalisieren gestörte Stoffwechselprozesse im Bereich der Botenstoffe des Gehirns. Das Auftreten von möglichen Nebenwirkungen kann dabei durch geeignete Auswahl des Medikamentes und angemessene Dosierung deutlich reduziert werden. In den Frühstadien der Erkrankung kann zudem eine frühzeitige Behandlung mit Antipsychotika den Ausbruch der Psychose zu verhindern helfen.
Psychoedukation und Verhaltenstherapie
Aufgrund des oftmals langwierigen Verlaufs und der Notwendigkeit einer langfristigen, stabilen Therapie ist die umfassende Information von Patienten über ihre Erkrankung eine wichtige Voraussetzung zur dauerhaften Symptomfreiheit. Im Rahmen dieser als "Psychoedukation" bezeichneten Maßnahmen werden diese Informationen in Einzel- und Gruppenveranstaltungen vermittelt. Insbesondere werden hier Entstehungsmodelle der Erkrankung und der Zusammenhang von Verletzlichkeit, Stress und Belastungsfähigkeit (sog. Stress-Vulnerabilitätskonzept) erörtert. Verschiedene Strategien, mit individuellen Belastungssituationen umzugehen, werden entwickelt. Auch können belastende Kommunikationsmuster z.B. in der Familie, bearbeitet werden. Die jeweiligen Materialien werden den Patienten zur Verfügung gestellt und können für weitere Informationen jederzeit herangezogen werden. Psychoedukative Maßnahmen haben sich auch in der Frühphase der Erkrankung bewährt, wo der richtige Umgang mit Stressoren den Ausbruch der Erkrankung möglicherweise verhindern kann.
Kognitives Training
Viele an einer Psychose erkrankte Patienten beklagen Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit, von denen sie in Schule oder Beruf erheblich beeinträchtigt werden. Mit Hilfe von speziellen computergestützten Trainingsprogrammen können bei diesen Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis systematische Trainingsmaßnahmen durchgeführt werden.
Ergotherapie
In der Ergotherapie können kreative Fähigkeiten umfassend gefördert bzw. neu entdeckt werden. Dies führt zu steigender Belastbarkeit sowie einer Verbesserung allgemeiner motorischer und kognitiver Fähigkeiten.
Sozialarbeit
Zu den Leistungen der Sozialarbeiter der Klinik gehören unter anderem folgende Bereiche:
- Beantragung langfristiger Weiterbehandlungen
- Vermittlung von Arbeitsförderungsmaßnahmen
- Hilfe bei Verschuldungen und Wohnungssuche
Physiotherapie
Durch die Physiotherapie kann der Psychosekranke ein balanciertes Verhältnis zu seinem eigenen Körper zurückfinden. Aktive Trainingsmaßnahmen, Sportgruppe und Krankengymnastik stärken Ausdauer und Belastbarkeit sowie motorische und geistige Schnelligkeit.
Freizeitgruppen, Stationsleben
Neben den formalen Therapieangeboten werden die Patienten zu einer aktiven Lebens- und Freizeitgestaltung angeleitet. Die entsprechenden Gruppen und Veranstaltungen werden wesentlich durch unsere Patienten selbst mitorganisiert und geleitet. Hierzu gehören zum Beispiel:
- Spiele- und Bastelabende
- Theater- und Gesangsgruppen, Kegelabende
- Buchlesungen
- Kinobesuche
- Back- und Kochgruppen
- Wanderungen, Ausflüge
Ein auf der Station gewählter Patientensprecher kann zudem die Interessen der Gruppe ausdrücken. Durch diese wechselnde Aufgabe werden zudem soziale Mitverantwortung und Kommunikationsfähigkeit gefördert.
Angehörigenarbeit
Die Psychose stellt auch für das familiäre Umwelt oftmals einen schwierigen Einschnitt dar und daher werden Familienangehörige mit Einverständnis der Patienten immer auch in die Therapie mit einbezogen. So soll Verständnis für die besonderen Probleme des Psychosekranken geweckt und das Rückfallrisiko gesenkt werden. Dieses Angebot wird durch Psychoedukations- und Angehörigengruppen abgerundet.
Früherkennung
Oftmals deutet sich die Erkrankung schon lange vor dem eigentlichen Auftreten durch sog. Frühsymptome an. Hierzu gehören unter anderem:
- Schlafstörungen
- Konzentrationsstörungen
- Stimmungsveränderungen
- Leistungseinbußen in Schule und Beruf
- Sozialer Rückzug
- Wahrnehmungsstörungen
- Misstrauen und Beeinträchtigungserleben
Da diese Symptome oftmals unspezifisch sind und auch bei anderen Erkrankungen, ja sogar bei vollständig Gesunden in leichter Ausprägung vorhanden sein können, kommt der diagnostischen Abklärung eine besondere Bedeutung zu. Anhand einiger Faktoren kann dann das individuelle Psychoserisiko beurteilt werden.
Frühintervention
Eine rechtzeitig einsetzende Therapie kann den Ausbruch der vollständigen Psychose verhindern oder hinauszögern helfen. Auch der langfristige Verlauf der Erkrankung wird durch das Einsetzen von gezielten Therapiemaßnahmen beeinflusst. Daher wird gegenwärtig angeraten, schon bei Frühsymptomen entweder eine psychoedukative oder eine kombinierte psychoedukative und pharmakotherapeutische Behandlung einzusetzen. Das jeweilige Vorgehen wird dabei immer am aktuellen Stand der wissenschaftlichen Empfehlungen ausgerichtet und es werden individuelle Therapiepläne erstellt.
Behandlungsteam
Das Behandlungsteam der Klinik ist ein multiprofessionelles Team bestehend aus Ärzten, Psychologen, Krankenschwestern, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Sozialarbeitern und anderen Mitarbeitern medizinischer Fachberufe. In regelmäßigen Besprechungen findet ein Austausch innerhalb des Teams statt, um eine optimale Behandlung für die Patienten zu gewährleisten.
Die Mitarbeiter des Teams sind fachlich kompetent und bilden sich intensiv fort. Die Therapiemaßnahmen der Klinik unterliegen zudem einer fortlaufenden Evaluation. Durch die Teilnahme an klinischen Studien werden sowohl die verhaltenstherapeutischen als auch die pharmakotherapeutischen Strategien ständig im Austausch mit anderen Klinikern und Wissenschaftlern auf ihre Wirksamkeit und Nebenwirkungen hin überprüft. Die Patienten können damit sicher sein, dass sie immer auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden und ihnen die optimalen Therapieangebote zugängliche gemacht werden.
Was kann ich tun?
Zunächst ist es in jedem Fall ratsam, dass der Betroffene ein klärendes Gespräch mit einem fachkundigen Psychiater sucht. Es kann auch zunächst telefonisch eine Beratung durch Ärzte der Klinik erfolgen. Danach kann entschieden werden, ob weitere diagnostische und therapeutische Maßnahme angeraten sind. Die Mitarbeiter der Institutsambulanz stehen hierzu unter den unten angeführten Telefonnummern zur Verfügung. Abends und an den Wochenenden kann in dringenden Fällen auch über die Spezialstation ein erstes Beratungsgespräch vermittelt werden. Es geht bei diesem Erstgespräch nicht darum, eine Hilfe suchende Person vorschnell als psychisch Kranken "abzustempeln", sondern frühzeitig sinnvolle Vorgehensweisen abzustimmen um den Ausbruch der vollständigen Erkrankung zu verhindern oder in der Intensität abzumildern. Den Ratsuchenden kann quälende Ungewissheit und Sorge um die Zukunft genommen werden.