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Problem-orientiertes Lernen und das Arbeiten im Tutorium
Wer heutzutage im Internet nach dem Begriff sucht, findet eine Vielzahl von sehr unterschiedlich ausgerichteten Informationen. Als generischer Begriff bezeichnet PBL eine Lernform, in der nicht das zu Erlernende im Vordergrund steht, sondern dessen Anwendung am gegebenen Problem. Daraus ergibt sich in der Medizin eine aufregende und schlagkräftige Methode, um Wissen, Einstellungen und Fertigkeiten auszubauen, die ihre Motivation aus der Notwendigkeit bezieht, einem Patienten helfen zu können.
Elisabeth H. hält es zu Hause nicht mehr aus
„Hilfe, Hilfe, ich kann nicht mehr“. So kämpft Frau H. täglich um Zuwendung bei dem Pflegedienst, der einmal am Tag vorbei kommt. Sie hat keine Kraft mehr für die Dinge des Alltags, fühlt sich immer schwächer. Die Schmerzen im Bauch und das Gefühl , so allein zu sein, lassen sie total verzweifeln. Auch die Leute aus dem Hause sagen, sie würde in letzter Zeit immer so zusammengefallen und blass aussehen.
Im letzten Jahr war Frau H. schon 3 mal in stationärer psychiatrischer Behandlung. In ein Pflegeheim wollte sie nie. Die Antidepressiva helfen ihr nicht; ohne Tavor könne sie nicht schlafen und auch nicht über den Tag kommen. Die Bauchschmerzen, dann Durchfall und so oft die Verstopfung machen sie fertig. Sie hat 15 Kg Gewicht abgenommen.
(1. Blatt eines Falles aus der Gastroenterologie)
Fall-basiert. Erst kommt das Problem, dann das Lernen. Das Problem präsentiert sich als klinischer Fall wie der von Natascha. Wie der Arzt in der Praxis diskutiert man Schritt für Schritt, was bei der Patientin geschieht und macht sich klar, welches Wissen notwendig ist, um sie behandeln zu können. Dabei geht es vor allem darum, zu verstehen, worin das Problem besteht, wie die Krankheit funktioniert (Pathophysiologie), wie man sich dem klinischen Problem nähert (management, Differentialdiagnose). Im Tutorium werden diese Punkte soweit diskutiert, bis klar geworden ist, welche Aspekte zu lernen sind. Außerhalb des Tutoriums erarbeiten sich die Studenten dann das notwendige Hintergrundwissen, egal, ob es dabei um Physiologie, Pathologie oder Gynäkologie geht – denn auch die Patienten halten sich nicht an die Grenzen der Disziplinen.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Das Wissen wird mit Erfahrungen, mit Patienten verbunden und ist dadurch besser zu behalten. Außerdem fällt die Anwendung des Wissens (recall) leichter, denn das Wissen entspringt ja gerade der Anwendung, dem klinischen Kontext.
Kleingruppen-orientiert. Diese Art des Lernens geschieht am besten in einer kleinen Gruppe von Studenten, weil die Diskussion dann besonders fruchtbar ist. Man profitiert gegenseitig vom zufällig verteilten Vorwissen und lernt, indem man anderen Studenten erklärt, was man bis jetzt weiss. Auf diese Weise festigt sich das Wissen, es wird hinterfragt. Hierdurch kommt es zur Elaboration – einem wichtigen Faktor bei der Festigung des Wissens.
In der Diskussion offenbart sich oft die Widersprüchlichkeit der Ansichten, denn gerade in der Medizin sind oft mehrere Erklärungen möglich, mehrere Ansichten berechtigt. Die Illusion, es gäbe eine absolute Wahrheit, kann im Tutorium gar nicht erst entstehen. So lernt man, mit unsicherem und unvollständigen Daten zu hantieren, wie es jeder Arzt alltäglich tun muss.
Lernmethoden und Problem-Lösungs-Strategien. Nur selten schafft es ein Problem-basierter Kurs, das gesamte systematische Wissen eines Faches zu erarbeiten; schließlich kann nur eine begrenzte Zahl von Fällen behandelt werden. Dies ist einer der wichtigsten Vorteile des Systems, denn angesichts des unbeherrschbaren Zuwachses an Wissen in der Medizin geht es nicht mehr darum, alle Details auswendig zu lernen, sich mit allen Krankheiten einmal befasst zu haben. Statt dessen sollen Techniken erlernt werden, wie man ausgehend von einem konkreten Bedarf alle relevanten Informationen erreichen, würdigen und im Austausch mit Kollegen und dem Patienten einsetzen und verfeinern kann. Der Student soll nicht bereits alle Probleme gesehen und gelöst haben, sondern virtuos mit neuen Problemen umgehen können, sich einarbeiten und jederzeit dazu lernen können (life-long self-directed learner). Schließlich hilft es dem Patienten nicht, wenn sein Arzt alles über eine seltene Erkrankung weiss, die er gar nicht hat. Aber der Arzt muss gelernt haben, wie er im Rahmen der Differentialdiagnose auch auf den M. Vogt-Koyanagi-Harada kommt und wo er sich rasch darüber informieren kann, wenn sein Patient diese Erkrankung haben könnte.
Social skills. Darüber hinaus dient die Gruppendiskussion auch dem Erwerb von eben jenen Fähigkeiten, die in der Medizin so wichtig sind: Umgang mit Anderen, Präsentations- und Diskussiontechniken und Teamfähigkeit. Denn nur wer in der Zusammenarbeit mit den Kollegen den richtigen Ton findet, sein Wissen an den Mann bringen oder rasch durch eine gezielte Frage aufpolieren kann, wird von der Diskussion profitieren. Der Lernprozess im Tutorium ist daher in jedem Fall synergistisch – man lernt nicht gegen, sondern mit den Anderen. Dabei darf man niemanden unterwegs verlieren, weil das später nur Zeit kosten würde. Also muss jeder sich des Fortschrittes aller Beteiligten bewusst sein.
Studenten-zentriert. Das Lerntempo, die Auswahl der Themen und die Informationsquellen bestimmen die Studenten selbst. Ausgehend von dem Fall müssen sie sich selbst einen Überblick verschaffen, was es zu lernen gilt. Sie planen ihre zur Verfügung stehende Lernzeit selbst und suchen sich dann eigenständig Lehrbücher, Internet-Seiten, Expertenmeinungen, um an die Informationen zu kommen, die sie für den Fall benötigen.
Eigenstudium. Problem-basiertes Lernen geschieht nicht nur im Tutorium. Dort erarbeitet man sich vor allem die Lernziele, erkennt, wofür etwas zu lernen ist. Die eigentliche Arbeit muss jeder für sich selbst (in der Bibliothek, zu Hause, in der Lerngruppe) leisten. Im Gegensatz zur faden Prüfungsvorbereitung gibt es nun jedoch einen guten Grund, sich vorzubereiten, denn im nächsten Tutorium ist es wichtig, eine Argumentationsgrundlage zu haben. Jeder einzelne bestimmt, wieviel er, ausgehend von seinem aktuellen Kenntnisstand, noch zu lernen hat, um mit dem Problem fertig zu werden.
Das Selbststudium ist der Kern des Problem-basierten Lernens. Aller Erfahrung nach investieren die meisten Studenten mehr Zeit hierfür als während einer normalen Vorlesung und sie müssen es auch, denn es gibt viel zu lernen, um einen Fall wie den von Natascha richtig zu verstehen. Dabei ist es nicht leicht, die Grenze zu ziehen: Reicht es aus, in einem Kurzlehrbuch, dem Gynäkologie-Klinikleitfaden nachzusehen, oder muss ich einen aktuellen Artikel finden, um herauszufinden, ob die Hormonersatztherapie noch aktuell ist? Die richtige Mischung zu finden, ist eine wichtige Fertigkeit, die man später im klinischen Alltag benötigen wird, um weiterhin aktiv und täglich weiter lernen zu können, ohne in Literatur zu ersticken.
Vorteile. Die Graphik zeigt, wie viel der Inhalte von Vorlesungen, Eigenstudium, Praktika etc. die Studenten nach drei Monaten noch behalten haben. Diese Zahlen sind zwar frustrierend, aber sicher mit den Erfahrungen der meisten Universitätsdozenten vereinbar. Im Tutorial werden praktisch alle dieser Lehrformen eingesetzt, in wechselndem Maße.
Im Vergleich mit herkömmlichen Curricula haben sich PBL-basierte Lehrpläne in vielen Universitäten durchgesetzt – nicht, weil sie zu besserem Abschneiden bei Multiple-Choice-Examina führen (hier geben sich die verschiedenen Lehrformen kaum etwas nach), sondern weil sie zu einer besseren Motivation der Studenten, zu Zufriedenheit mit dem Uni-Personal, und zu Diskussions-bereiten und interessierten Studenten führen. Darüber hinaus beherrschen die Studenten von guten PBL-Kursen ein Wissen, das sich besser anwenden lässt. Sie sind bereit, sich neuen Problemen zu stellen und haben Methoden entwickelt, um rasch Lösungen zu finden.
Diese Vorteile müssen jedoch erkauft werden, denn PBL ist sehr Personal-intensiv und kostet damit Geld. Nicht zuletzt deswegen stehen auf Seiten der Fakultät häufig Bedenken. Interessanterweise zeigt die Erfahrung anderer Universitäten aber, dass sich auch die Studenten (allerdings nur anfangs) gegen PBL wehren, wohl, weil es so viel anstrengender ist. Sie haben Angst, nicht mehr den ganzen Stoff zu lernen und daher für das Examen etwas zu verlieren. Diese Angst ist nicht unberechtigt, denn tatsächlich werden im PBL-basierten Kurs weite Strecken des Lehrbuches einfach übergangen. Doch Hand aufs Herz: wer hat nicht vor dem Examen noch einmal angefangen, sich den Stoff noch einmal komplett von vorne reinzuziehen – und sei es anhand der Schwarzen Reihe.
Der 7-step
Das Vorgehen im Tutorium kann gegliedert werden nach dem 7-step-Modell der Universität Maastricht (deren gesamtes Medizinstudium Problem-basiert gestaltet ist, so dass dort eine jahrzehntelange Erfahrung mit der Methode aufgebaut wurde):
- Begriffe klären
Auf den meisten Blättern, die im Tutorium behandelt werden, finden sich Begriffe, deren Bedeutung nicht allen Beteiligten klar sein muss, wie der Begriff der Menopause im Beispiel von Natascha. Möglicherweise findet sich ein Student, der gut erklären kann, was damit gemeint ist. Im Zweifelsfall wird man den ausgelegten Pschyrembel bemühen. Entscheidend ist, dass die Studenten eine einigermaßen ähnliche Vorstellung von den Begriffen haben, weil sonst die anschließende Diskussion schwierig wird. - Probleme definieren
Im zweiten Schritt versucht man herauszufinden, welche Probleme sich im Text verbergen. Oft sind die Probleme ganz offenbar – wie kommt es zu diesen Symptomen? Was kann man dagegen tun? Nicht selten jedoch sind die Probleme unterschwelliger: Was passiert bei der Menopause? Welche Hormone spielen dabei eine Rolle? - Brainstorming: Hypothesen sammeln im Dialog
Nun werden Ideen gesammelt, Vorschläge zur Lösung der Probleme. Welche Krankheiten führen zu den Beschwerden? Welche pathophysiologischen Erklärungen gibt es?
In der Phase des Brainstormings sollen diese Ideen nur gesammelt, nicht gleich bewertet werden. Denn sonst werden viele Gedanken im Keim erstickt, weil sich irgendein Gegenargument findet. Die Ideen sollen also nicht diskutiert, sondern gesammelt werden. - Modellbildung: Hypothesen ordnen in der Diskussion
Erst, wenn die Vorschläge im Raum stehen, beginnt man, sie mit Prioritäten zu versehen, sie in eine Reihenfolge zu bringen. Ist diese Differentialdiagnose wirklich wichtig? Sollen wir nicht erst die lebensbedrohlichen Erkrankungen diskutieren? Sind die pathophysiologischen Ideen richtig? Wie kann man sie verbessern? - Lernziele definieren
Am Ende der Diskussion vergegenwärtigt man sich die Lücken in den Erklärungsmodellen. Was müssen wir lernen, um die offenbleibenden Fragen zu klären. Welche Aspekte der Erkrankung müssen wir beherrschen, um mit diesem und ähnlichen Fällen zurecht zu kommen.
Dabei erstellt man eine Liste, die realistischerweise im Zeitraum bis zum nächsten Tutorium von allen abgearbeitet werden kann. Diese Liste sollte möglichst spezifisch sein, also nicht „Endokrinologie“, sondern „Wie funktionieren die Hormonstörungen der Menopause?“ oder „Welche Vorteile hat die Hormonersatztherapie in der Menopause?“. Generell empfehlen sich Fragen als Lernziele und nicht Kapitel aus einem Lehrbuch. - Recherche außerhalb des Tutoriums
Die Recherche erfolgt in Eigenarbeit, wenn auch nicht notwendig unabhängig voneinander. Es ist natürlich erwünscht, dass sich die Studenten hier koordinieren. Doch sollen sie sich die Arbeit nicht teilen („mach Du die Pathologie des Mamma-CA, ich die Radiologie“), denn am Ende müssen alle Studenten den Stoff beherrschen.
Wichtig ist, dass man nicht ausschließlich auf das Lernziel hin, sondern assoziativ lernt und auf diese Weise ein „Wissensnetz“ aufbaut. - Synthese
Beim nächsten Tutorium werden die Ergebnisse der Recherche zusammengetragen. Am besten geschieht dies, in dem der Fall kurz zusammengefasst wird und dann die einzelnen Probleme Schritt für Schritt in der Diskussion erläutert und erklärt werden.
Bei den Fällen unseres Kurses werden wir mehrere Blätter in jeder Sitzung lesen. Dabei wiederholen sich die Schritte 1-4 für jedes Blatt.
Das Tutorium und seine Rollenverteilung
8-10 Studenten und der Tutor sitzen an einem großen Tisch. Der Tutor teilt Blätter mit dem Falltext aus, die nach dem 7-step bearbeitet werden. Ein Student – der Diskussionsleiter, der zu jedem Tutorium wechselt – kümmert sich darum, dass alle sich an die Regeln halten, die Diskussion nicht ausufert, produktiv bleibt. Er sorgt auch dafür, dass sich alle Studenten beteiligen und jeder alle Aspekte verstanden hat.
Auf einem Flipchart werden die wesentlichen Informationen mitgeschrieben von einem Schreiber (scribe), der ebenfalls in jeder Sitzung wechselt. Auch Hypothesen, Vorschläge, Gegenargumente sollten – möglichst gut strukturiert – auf dem Flipchart festgehalten werden, damit nachher die Möglichkeit besteht, sich darauf zu beziehen.
Wenn aus der Gruppe heraus eine Frage nicht geklärt werden kann, können in einfachen Fällen die bereitgelegten Bücher zu Rate gezogen werden, aber tiefgehende Recherchen können im Tutorium kaum stattfinden, weil sie zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
Der Tutor fungiert als Beisitzer, er verfolgt die Diskussion, beteiligt sich auch gerne einmal, wirft mitunter Fragen ein, doch er soll das Geschehen nicht bestimmen. Sein Fachwissen, das er übrigens nicht unbedingt besitzen muss, soll er am besten gar nicht einbringen, denn er ist kein Lehrer. Manchmal wird er nachfragen, ob ein Gedanke schon zu Ende gedacht, oder ein Problem schon gelöst ist. Er wird niemals einfach erklären, was passiert. Der Tutor fungiert damit wie ein Katalysator – im wesentlichen ist er nur anwesend und fragt nach, doch immer wieder ermöglicht er eine Reaktion der Gruppe, die ohne ihn nicht oder nur sehr langsam möglich wäre. Er dient als Backup des Diskussionsleiter und unterstützt ihn. Notfalls greift er ein, wenn die Gruppendynamik aus den Fugen gerät.
Am Ende des Tutoriums sollten sich alle Beteiligten über die Lernziele im Klaren sein. Jeder sollte wissen, was sein persönlicher Lernplan beinhalten wird. Nur selten wird ein Einzelner ein spezielles Thema, das nicht für alle relevant scheint, in Form eines Referats für das nächste Tutorium vorbereiten, denn das kostet wertvolle Zeit und bringt den Anderen wenig.
Beim nächsten Tutorium wird der Fall des letzten Males zunächst in einer kurzen Zusammenfassung vorgestellt. Jedes Problem des Falles wird diskutiert, wobei die Ergebnisse der Recherche zusammengetragen werden.
Grundregeln im Tutorium
Auch, wenn der Ablauf des Tutoriums sehr intuitiv ist, gibt es ein paar Grundregeln, an die man sich halten muss:
- Höflichkeit und Fairness: Lasse Deine Kollegen ausreden. Bleibe fachlich. Kümmere Dich um sie.
- Vorbereitung: Bereite Dich regelmäßig vor. Die anderen Studenten leiden, wenn Du es nicht tust.
- Pünktlichkeit: Jede Minute, die Du zu spät kommst, geht in der Diskussion verloren, fehlt Euch allen.
- Reflektion: Mache Dir bewusst, wie Euer Gruppenverhalten funktioniert. Bespreche es.
So läuft ein Fall ab
Wenn auch das erste Tutorium durch das gegenseitige „Beschnuppern“ immer seinen eigenen Charme hat, beginnt es doch schon bald, ernst zu werden. Das erste Blatt des Falles wird ausgeteilt. Der Text ist meist kurz und sollte immer von einem Gruppenmitglied laut vorgelesen werden (wechselt Euch ab, es wird sonst langweilig). Identifiziert die Begriffe die unklar sind. Versucht sie zu definieren, zu erklären, bis jeder alle Termini kennt.
Dann findet die Probleme. Ist alles klar, was passiert? Was bedeutet dieses Symptom? Welche Krankheiten können es verursachen? Wie gliedere ich sie? Vergesst nicht, alles mitzuschreiben; die Mitschriften werdet Ihr ständig brauchen. Keine Sorge, sie werden von Mal zu Mal besser. Wenn alles klar scheint, schreibt auf, was noch fehlt, denn das sind Eure Lernziele. Überfordert Euch nicht, denn Ihr müsst alles selber lernen. Unterfordert Euch nich, sonst wird es langweilig.
Dann geht es mit dem nächsten Blatt weiter.
Am Ende lehnt Euch zurück und reflektiert über das Tutorial: Waren wir gut? Haben sich alle beteiligt? Gibt es Animositäten? War der Diskussionsleiter gut? Der Schreiber? Der Tutor? Was kann man verbessern? Gibt es etwas, das wir außerhalb des Tutoriums gemeinsam tun sollten?
Bei manchen Fällen wird nach dem Tutorium noch eine Lernzielliste bereit gestellt. Diese dient als Hilfestellung, nicht als Vorschrift. Es gibt keine Mindestpunktzahl, die erreicht werden muss.
Im nächsten Tutorium beginnt der Diskussionsleiter, in dem er den Fall kurz zusammenfasst und die Probleme des letzten Tutoriums zur Diskussion stellt. Erst, wenn alle zufrieden sind, wird weiter gemacht.
Das Ende eines Falles bedeutet doppelte Arbeit. Erstens ist dann die Lernzielliste besonders lang und zweitens muss der Fall evaluiert werden. Wer das nicht tut, bekommt keinen Schein.
Gut ist im Tutorium:
- Bevor ich etwas verstehe, muss ich wissen, was das Problem ist.
- Im Zweifel spreche ich das Problem aus.
- Wenn ich etwas nicht verstanden habe, frage ich.
- Wenn ich etwas verstanden habe, sage ich es.
- Wenn Du etwas verstanden hast und ich nicht, dann erkläre es mir bitte.
- Wenn ich es dann immer noch nicht verstehe, ist es nicht optimal erklärt.
- Wenn ich merke, dass Du etwas nicht verstanden hast, aber Dich nicht traust, es zu sagen, dann frage ich nach, helfe Dir.
- Wenn ich immer rede, stimmt etwas nicht.
- Wenn ich nie rede, stimmt etwas nicht.
- Wenn etwas nicht stimmt, sage ich das. Es ist ein Problem, das zu lösen ist.
- Nur, was ich erklären kann, kann stimmen.
- Wenn jemand nicht bei der Sache ist, dann gibt es drei Möglichkeiten
- Er langweilt sich, weil er alles weiss – das ist gut, denn dann kann er mir helfen.
- Er ist überfordert – das ist gut, denn dann können wir ihm helfen.
- Er interessiert sich nicht dafür. Dies ist der wichtigste Fall: Ist das Problem uninteressant? Haben wir die richtige Frage gestellt?
- Das Problem am Problem-basierten Lernen: Ich muss mich um alles selber und auch noch um die Anderen kümmern.
Ich bin ein guter Diskussionsleiter, wenn ich
- offene Fragen stelle (wie? warum? was passiert hier?)
- den Anderen helfe, sich darüber klar zu werden, was sie meinen,
- nachhake, wenn etwas nicht offensichtlich ist,
- immer weiss, an welchem Schritt im 7-step wir gerade stehen,
- aufpasse, dass wir vorankommen,
- ermuntere, Wissen zu hinterfragen,
- ein Problem benenne, das die Gruppe beschäftigt,
- dafür sorge, dass der Fortschritt auf dem Flipchart festgehalten wird,
- dafür sorge, dass die Diskussions-Atmosphäre positiv ist, so dass sich jeder traut, etwas zu sagen,
- aufpasse, wer niemals etwas beiträgt und warum,
- aufpasse, wer immer redet und warum,
- keine Reden halte,
- zum Feedback ermuntere.
Gute Aussprüche eines Diskussionleiters:
- Hmmm (ermunternd)
- Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstanden habe.
- Wer hat hierzu Vorschläge?
- Warum ist das so?
- Wie bist Du darauf gekommen?
- Wenn das wahr ist, wie kann man das beweisen?
- Hast Du daran gedacht, ob …
- Müssen wir das Nachlesen?
- Wie kommen wir hier weiter?
- Was ist das Problem?
- Haben wir das Problem richtig angegangen?
- Wie ist unsere Gruppendynamik?
- Können wir diese Ideen noch einmal zusammenfassen?
Ich bin ein guter Tutor, wenn ich
- das Problem genauso spannend finde wie alle Anderen,
- methodische Vorschläge einbringen kann, auf die andere nicht kommen,
- helfe, ein Problem zu formulieren,
- darauf verzichte, Fakten langatmig darzulegen,
- mein Expertenwissen nur preisgebe, wenn die Studenten mit ihren Kenntnissen am Ende sind und offenbar nicht davon profitieren werden, wenn sie eben dieses Faktum selber lernen,
- immer weiss, wie ich dem Diskussionsleiter helfen kann,
- wenig reden muss,
- Konflikte vermeiden helfe, indem ich die Grundregeln strikt durchsetze,
- alle Lernziele aus dem Tutor-Guide selber erarbeitet habe, weil ich dann die Komplexität der Fragen einschätzen kann.
Ich bin ein guter Schreiber, wenn ich
- versuche, die wesentlichen Gedanken aufzuschreiben,
- Dinge graphisch in Beziehung setzen helfe,
- viel Platz benötige, um die Struktur der Gedanken darzustellen,
- deutlich schreibe,
- mir von anderen erklären lasse, was ich aufschreiben soll,
- Pro und Contra zu einer Idee festhalte,
- Lernziele aufschreibe.
Häufig gemachte Fehler
- Suche nach der Diagnose statt nach Erklärungen
auch eine bekannte Diagnose ist ein interessantes Problem: man muss ja erst verstehen wie die Krankheit funktioniert - Den Patienten heilen wollen
der Patient ist aus Papier und kann nicht sterben; das praktische Management ist zwar wichtig, aber nur, wenn man auch verstanden hat, warum man es so macht, wie es im Algorithmus steht - Die Lernziele von Anderen übernehmen
(nur Lernziele, auf die man selber kommt, führen zu einem Lernerfolg) - Denken, dass es nur eine Wahrheit gibt
- Probleme und Lernziele nicht erledigen
- Den Bezug von neuem Wissen zum Fall nicht herstellen
- Keine Zeit für Feedback opfern
- Destruktive Kritik
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