Jena (ukj/as). Wenn Heilung nicht mehr möglich ist, treten andere Ziele in den Vordergrund. „Vor allem in der verbleibenden Lebenszeit die Lebensqualität und die Selbstbestimmung zu erhalten, zu fördern und zu steigern“, sagt Jens Kästner. Der Facharzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Jena (UKJ) leitet das neu gegründete Kinderpalliativteam. Vier Ärzte und fünf Schwestern kümmern sich seit dem 1. Oktober 2016 um Kinder in ganz Thüringen, die an einer lebenslimitierenden Erkrankung leiden. „Betroffen sind etwa 400 Kinder und Jugendliche in Thüringen, von denen jedes Jahr etwa 45 unsere Hilfe benötigen“, so Kästner.
Seit 2007 besteht der gesetzliche Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung – für Erwachsene und Kinder. Bisher konnten unheilbar kranke Kinder nicht entsprechend ihrer besonderen Bedürfnisse zu Hause oder im Hospiz durch ein speziell ausgebildetes Kinderteam betreut werden. „Doch die Versorgungslücke bei diesen komplexen Patienten haben wir nun schließen können“, so Prof. James Beck, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Jens Kästner hat die Zusatzausbildung zum pädiatrischen Palliativmediziner absolviert und auch das gesamte Team bringt Erfahrung in der Versorgung unheilbar erkrankter Kinder mit.
„Während bei der Palliativversorgung von Erwachsenen ein Großteil an einer Krebserkrankung leidet, sind es bei Kindern nur etwa ein Drittel“, so Kästner. Das Spektrum der Erkrankungen ist viel breiter – von Stoffwechselleiden, Muskelerkrankungen, Hirnfehlbildungen bis zum Teil sehr seltenen syndromalen Erkrankungen. „Unsere Arbeit berührt daher sehr viele verschiedene Bereiche der Pädiatrie“, sagt Kästner, der Patienten vom Säugling bis zum jungen Erwachsenen betreut. Bis einschließlich 27 Jahren – wenn es sich um eine Erkrankung aus dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendmedizin handelt.
Für die Hausbesuche im Umkreis von 120 Kilometern steht dem Kinderpalliativteam ein Auto mit dem Logo der Kinderklinik zur Verfügung. „Wir haben dieses Fahrzeug bewusst neutral gestaltet“, so Kästner. Auf eine Aufschrift mit dem Begriff „Palliativ“ wurde verzichtet, damit Familien nicht stigmatisiert werden. Denn gerade Eltern und Geschwistern benötigen besondere Unterstützung. Sie anzuleiten und auf schwierige Situationen vorzubereiten, ist eine der Aufgaben des Kinderpalliativteams. „Wir erstellen individuelle Behandlungspläne und helfen den Familien, diese umzusetzen“, so Kästner. „Außerdem bereiten wir sie darauf vor, was passieren kann und wie sie Krisen vorbeugen.“ Die Versorgung der kranken Kinder ist sehr zeitintensiv und komplex. Die Ärzte und Pflegenden kümmern sich darum, leidvolle Symptome zu lindern wie Unruhe- und Angstzustände, Schmerzen, Schlafstörungen oder Luftnot. Neben den geplanten Hausbesuchen bietet das Palliativteam rund um die Uhr eine telefonische Rufbereitschaft an, so dass die Mitarbeiter in Krisen auch spontan vor Ort sein können.
Die Arbeit des Kinderpalliativteams ersetzt andere Formen der Unterstützung nicht, sondern ergänzt sie. „Wir arbeiten eng mit den bereits betreuenden Kinder-, Hausärzten und Pflegediensten zusammen, die wir beraten und unterstützen“, so Kästner. Gemeinsames Ziel ist dabei, den Kindern ein würdiges Leben in ihrer vertrauten familiären Umgebung zu ermöglichen.
Wie das Team mit dem Kind über seine Situation spricht, hängt sehr vom Entwicklungsstand ab. „Die Vorstellung von Leben und Tod unterscheidet sich je nach Alter deutlich“, so Kästner. Leicht seien diese Gespräche mit den Kindern, ihren Geschwistern und Eltern nie. Dennoch gab es keine Schwierigkeiten, genug Mitstreiter für das neue Team zu gewinnen. „Natürlich ist es immer schwierig, Kinder beim Sterben zu begleiten“, so Kästner. „Gleichzeitig ist es eine enorm wichtige Aufgabe, gerade in dieser Lebensphase Leid zu verhindern.“
Kontakt:
Kinderpalliativteam
Jens Kästner
Tel. 03641 – 9 32 95 54