Anlässlich des Umzugs aus der Innenstadt nach Lobeda haben wird die letzten 10 Jahre Revue passieren lassen und in einem bilderreichen Kompendium zusammengefasst.
Kompendium zur Geschichte der HNO-Klinik 2006 bis 2016
Geschichte der Jenaer Universitäts-HNO-Klinik
Die Jenaer HNO-Klinik blickt mittlerweile auf eine 120-jährige Geschichte zurück. Einige ihrer Direktoren gehören zu den Pionieren der modernen HNO-Heilkunde und haben den Standort weltweit bekannt gemacht. In der Nachkriegszeit und mehr noch nach der deutschen Wiedervereinigung hat sich die Jenaer HNO-Klinik zu einer modernen HNO--Universitätsklinik gewandelt, die das gesamte Spektrum der aktuellen HNO-Heilkunde in Klinik, Wissenschaft und Lehre vertritt.
Der erste Fachvertreter für Otologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena war Herr Prof. Friedrich Weber-Liel. Er übernahm 1884 die neu eingerichtete außerordentliche Professur für Otologie. Krankheitshalber schied er jedoch 1886 wieder aus.
Ihm folgte 1886 Prof. Johannes Kessel (Amtszeit 1886 - 1907). Prof. Kessel kam war ein Schüler von Anton v. Tröltsch in Würzburg. Er hatte in Wien, Prag und Graz gearbeitet, wo er auch habilitierte ohne jedoch die Errichtung eines Extraordinariates erreichen zu können. Diese Position erlangte er dann mit seiner Berufung nach Jena. In Jena allerdings waren die Arbeitsmöglichkeiten anfangs dürftig. Für die ambulante Behandlung der Patienten standen nur zwei Räume zur Verfügung. 1890 konnten dann für die stationäre Behandlung 17 Betten in einem Mietshaus (heute "Gasthof zur Schweiz", Bachstraße, gegenüber dem Innenstadt-Klinikum) bereitgestellt werden. 1900 endlich wurde im allgemeinen Landeskrankenhaus eine eigenständige Ohrenklinik mit 40 Betten bezogen. Kessels Arbeiten galten klinisch und experimentell der Funktion des Mittelohres. Er wagte, noch in Graz, als erster bei der Otosklerose eine Operation am fixierten Stapes. Auch Eingriffe am Trommelfell sowie an Hammer und Amboss mit dem Ziel einer Hörverbesserung führte er aus. Er wird daher als Mitbegründer der funktionellen Mittelohrchirurgie angesehen.
Nach Kessels Tod (1907) wurde Prof. Karl Wittmaack als Nachfolger nach Jena berufen (Amtszeit 1908 - 1926). Wittmaack war eine wissenschaftlich außergewöhnlich aktive und erfolgreiche Persönlichkeit, die geniale Ideen entwickelte, diese nüchtern auf ihren Wahrheitsgehalt prüfte und dann, wenn er von ihnen überzeugt war, auch mit kämpferischer Überzeugung für sie eintrat. Er setzte in Jena seine in Greifswald begonnenen grundlegenden Arbeiten zur Struktur und Pathologie des Schläfenbeins sowie zur Innenohrpathologie fort. Es entstanden bedeutende wissenschaftliche Beiträge im Handbuch der Pathologie neben zahlreichen Einzelarbeiten. Auch entwickelte er Vorstellungen zur Funktion des Vestibularapparats und zum Innenohr-Lärmschaden.
Nachdem Wittmaack wurde nach Hamburg berufen wurde, wurde Prof. Wilhelm Brünings (Amtszeit 1926 - 1930) sein Nachfolger. Brünings arbeitete - wie schon vorher in Greifswald - hauptsächlich über die Endoskopie der Luft- und Speisewege und verbesserte das Instrumentarium erheblich. Unter seiner Leitung fanden erstmalig Kurse zur Endoskopie statt. Brünings entwickelte mit der Firma Zeiss in Jena das so genannte "Neunauge", mit dem bis zu acht Beobachter an der Endoskopie beteiligt werden konnten. 1928 wurde die von Wittmaack geplante, dann von Brünings in Einzelheiten modifizierte neue Klinik fertiggestellt und eingeweiht. Sie war mit 120 Betten eine der damals schönsten großen HNO-Kliniken Deutschlands.
Nach dem Weggang von Brünings nach München folgte als Ordinarius Prof. Johannes Zange (Amtszeit 1931 - 1957). Zange hatte sich anfangs pathologisch-anatomischen Arbeiten zugewandt. Mit seinen grundlegenden, 1919 in einer großen Monographie zusammengefassten Arbeiten über die tympanogenen Labyrinthentzündungen wurde er in der Fachwelt sogleich bekannt. Dann galt sein Bemühen der Verbesserung der Liquordiagnostik im Zusammenhang mit der Meningitisbehandlung. Später befasste er sich mit der Manifestation der Tuberkulose im HNO-Fach. In Jena wurde die Geschwulstbehandlung als Schwerpunktaufgabe der Klinik erkannt und intensiviert. Schon 1939 arbeitet in Jena eine phoniatrische Abteilung, auch die Audiologie wurde zu dieser Zeit mit dem frühen Audiometer, dem "Otaudion" gefördert. Zange, der die musterhaft arbeitende Klinik gewissenhaft und ideenreich leitete wurde hoch geehrt und hat das HNO-Fach entscheidend mitgeprägt.
Die schwierigen Umstände der Nachkriegszeit brachten es mit sich, dass er erst im hohen Alter sein Amt an seine Schülerin Prof. Rosemarie Albrecht (Amtszeit 1957 - 1975) abgeben konnte. Frau Albrecht befasste sich nachhaltig mit der damals noch im Ausbau begriffenen Mikrochirurgie des Ohres. Im Zusammenwirken mit den Jenaer Zeiss-Werken wurde durch ihre Initiative ein erstes Operationsmikroskop der damaligen DDR gefertigt. Auch der plastischen Chirurgie wandte sie sich zu. Ein Schwerpunkt der Arbeit in Jena blieb aber die Tumorbehandlung. Während ihrer Amtszeit wurde die audiologische Abteilung ausgebaut, 1966 wurde ein audiologisches Ordinariat an Herrn Prof. Hans-Georg Dieroff übertragen.
Nach der Emeritierung von Frau Albrecht wurde Prof. Karl-Heinz Gramowski (Amtszeit 1976 - 1993) nach Jena berufen. Er arbeitete wissenschaftlich vor allem auf dem Gebiet der Neurootologie und befasste sich klinisch mit der Weiterentwicklung der Mittelohrchirurgie.
Nach Gramowskis Eintritt in den Ruhestand leitete Prof. Eggert Beleites (Amtszeit 1994 - 2005) die Klinik zunächst kommissarisch (1993 - 1994), wurde dann 1994 auf den Lehrstuhl berufen. Beleites hat sich speziell mit Problemen der Implantologie beschäftigt und otochirurgisch gearbeitet. Er baute ein Forschungslabor für Biomaterialien auf und gründete die Forschungsgemeinschaft Biomaterialien der Friedrich-Schiller-Universität Jena. In diesem Zusammenhang erhielt er einige Patente, z. B. für Implantatmaterial für die Kopf-Hals-Chirurgie. Zahlreiche Buchbeiträge und wissenschaftliche Publikationen wurden von ihm veröffentlicht. Beleites regte 1991 die Neugründung der Mitteldeutschen HNO-Vereinigung an, welche dann in Jena auch erfolgte. Seitdem finden wieder jährlich die Tagungen dieser Gesellschaft statt. Ebenso gründete er 1990 die Thüringer Landesärztekammer, deren Präsident er bis zu seinem Tode 2006 war. Er wurde für sein Wirken mit dem Bundesverdienstkreuz (1997) und der Paracelsus-Medaille (2006) geehrt.
Nach der Emeritierung von Beleites wurde die HNO-Klinik Jena kommissarisch von Prof. Hilmar Gudziol (Amtszeit 2005 - 2006) geleitet. Seine speziellen wissenschaftlichen Gebiete waren das Riechen und Schmecken. Er betreute zu diesen Themen auch zahlreiche Doktoranden und hat zu diesen Themen zahlreiche Publikationen vorgelegt. Während der Amtszeit von Beleites und Gudziol wurden in der HNO-Klinik viele Umbaumaßnahmen vorgenommen. So wurde der OP völlig neu gestaltet, Nasszellen auf Stationen wurden eingebaut, die Untersuchungsräume im Keller wurden erneuert sowie auch die Poliklinik und der Hörsaal.
Im Oktober 2006 wurde der derzeitige Direktor, Univ.-Prof. Orlando Guntinas-Lichius, berufen. Seitdem gehört auch das ehemalige Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie wieder zur HNO-Klinik. Sein klinisch-wissenschaftliches Interesse gilt der Kopf-Hals-Tumorchirurgie und insbesondere der Speicheldrüsenchirurgie inklusive Chirurgie des Nervus fazialis. Experimentell wissenschaftlich liegt sein Schwerpunkt in der Erforschung der Verbesserung der Nervenregeneration. 2006 und 2007 wurden Teile der Klinik umgebaut und modernisiert. 2008 wurde die Klinik erstmalig nach DIN EN ISO 9001:2000 zertifiziert. 2013 wurde das Tinnitus-Zentrum Jena in der Klinik als tagesklinische Einrichtung eröffnet. In demselben Jahr wurde das Fazialis-Nerv-Zentrum etabliert. Seit 2014 ist die Klinik als Teil des Kopf-Hals-Tumorzentrums zertifiziert.
Im Mai 2017 ist die Klinik nach Lobeda in den hochmodernen Neubau umgezogen. Dadurch hat sich die Struktur der Klinik verändert. HNO-Klinik und Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie sind endlich wieder unter einem Dach vereint. Kinder mit HNO-Erkrankungen werden im interdisziplinären Eltern-Kind-Zentrum stationär versorgt. Die Klinik ist präsent in der Zentralen Notaufnahme und behandelt Tumorpatienten in der Konservativen Tagesklinik. Auch die verschiedenen Arbeitsgruppen in der Forschung wurden vereint und arbeiten nun zusammen im Forschungszentrum Lobeda unweit der Klinik.
Stand: 11/2017
Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde