Jena (UKJ/vdG). Die Demografie und der westliche Lebensstil führen dazu, dass auch Organspendewillige selten kerngesund sind. Es stehen deshalb nicht nur viel zu wenige Spenderlebern zur Verfügung, oft sind die Organe auch gezeichnet vom üppigen Leben, sprich: mehr oder weniger verfettet. Weil das in die Leberzellen eingelagerte Fett die Gewebestruktur verändert, schränkt das die Eignung als Spenderleber sehr ein. Auch die Zeitspanne zwischen der Organentnahme und der Transplantation, in der das Gewebe gekühlt und nicht durchblutet wird, spielt eine große Rolle für den Erfolg der Operation. „Diese beiden Aspekte bestimmen entscheidend, wie stark das Spenderorgan bei der Wiederdurchblutung im Körper des Empfängers in Mitleidenschaft gezogen wird und wie es seine Funktion aufnehmen kann“, betont Prof. Dr. Uta Dahmen. In ihrer Arbeitsgruppe erforscht die Chirurgin deshalb, anhand welcher Kriterien sich dieser kritische Prozess besser vorhersagen lässt. Das Ziel dabei ist eine Hilfe in der Entscheidung, ob eine Spenderleber trotz gewisser Vorschädigungen für einen bestimmten Wartelistenpatienten geeignet ist oder ob das Transplantationsrisiko überwiegt.
Hierfür sammelt Uta Dahmens Arbeitsgruppe im Rahmen eines Verbundprojektes Daten im Tierversuch und in der Klinik. Wie lässt sich die Fettschädigung genauer beschreiben und quantifizieren? Welche molekularen Prozesse greifen das Gewebe an, wenn es wieder an den Kreislauf des Empfängers angeschlossen und durchblutet wird? Wie beeinflussen die Fetteinschlüsse die Organfunktion kurz nach der Transplantation? All diese Daten fließen in Computermodelle ein, die wie bei der Wettervorhersage das Ausmaß der Leberschädigung und die frühe Transplantatfunktion vorhersagen sollen. „Dabei gilt es auch, die Genauigkeit abzuwägen, mit der das Spenderorgan untersucht wird, gegen die Zeit, die das in Anspruch nimmt. Schließlich verlängert das die Phase der Nichtdurchblutung“, so Prof. Dahmen. Diese Phase lässt sich prinzipiell etwas überbrücken durch die Methode der Maschinenperfusion, die seit etwa einem Jahr auch am UKJ etabliert ist. Je nach Verfahren wird das Organ mit speziellem körperwarmen Medium oder mit Blut durchströmt und mit Sauerstoff angereichert. So lassen sich sogar bestimmte Parameter der Organfunktion überwachen. Es gibt auch experimentelle Ansätze, Vorschädigungen des potentiellen Spenderorgans durch die Maschinenperfusion zu verringern, diese sind jedoch noch nicht geeignet für die klinische Anwendung.
Das Projekt ist eingebettet in eine große von der DFG geförderte Kooperation. „Das übergeordnete Ziel des Schwerpunktprogramms ist es, die Vielfalt der Menschen in diese Modelle zu integrieren und so die Qualität der Vorhersagen zu verbessern. In unserem Projekt geht es darum, den hochspezialisierten Bereich der Lebertransplantation sicherer und noch individueller zu machen“, betont Uta Dahmen.
Die klinische Forscherin leitet mit der Forschungsgruppe QuaLiPerf ein weiteres leberchirurgisches Konsortium. Auch hier entsteht auf der Basis von Daten aus dem Labor, aus Tierversuchen und aus der Klinik ein rechnerisches Modell, das die Organfunktion und den Regenerationsverlauf nach einer großen Leberoperation simulieren soll. Das könnte die Planung von Operationen erleichtern, bei denen ein Teil der Leber wegen Tumoren oder Metastasen entfernt werden muss. Oder die Entnahme eines Teils der Leber, der als Lebendspende transplantiert werden soll. In beiden Fällen ist es entscheidend, dass das verbleibende Organ – und natürlich auch die transplantierte Teilleber – nach dem Eingriff ausreichend arbeitet. Dann kann die Leber aufgrund ihres großen Regenerationsvermögens neues Gewebe bilden und mit der Zeit wieder zur vollen Größe wachsen.
Neben diesen systemmedizinischen Ansätzen für die Leberchirurgie beschäftigt sich die Arbeitsgruppe an der Klinik für Allgemein-, Viszeral und Gefäßchirurgie auch mit dem „Biological Tissue Engineering“, einem neuen Verfahren zur Herstellung von Ersatzgewebe. Für Medizinstudierende hat Uta Dahmen einen digitalen Intensivkurs zu chirurgischen Techniken etabliert, der durch eine automatisierte Videoanalyse ein Feedback ermöglicht. So können die Studierenden ihre Fehler leichter erkennen und Fehlervermeidungsstrategien entwickeln.
Weitere Informationen:
- Schwerpunktprogramm www.spp2311.de
- Forschungsgruppe www.qualiperf.de