Abriss der ischiocruralen Muskulatur
Sehnenverletzungen und Sehnenabriss am Becken sind eine typische Sportverletzung. Am häufigsten ist die sogenannte ischiocrurale Muskulatur betroffen. Übersetzt bedeutet ischiocrural, es handelt sich um eine Muskelgruppe, die am Becken entspringt und am Unterschenkel ansetzt. Zur Gruppe gehören drei Muskel. Der Ursprung liegt im Bereich des Sitzbeinhöckers am Becken. Verletzungen können als Muskelbündel- und Muskelfaserriss im gesamten Bereich auftreten. Betrachtet man die gesamte Muskelgruppe, so liegen hier ungefähr 20-25% der Muskelverletzungen. Dabei findet man ca. 8-12 % davon im Bereich des Ursprunges am Beckenknochen. Die Läsionen finden sich in den Ursprungssehnen oder diese reißen komplett vom Knochen ab (Avulsionsverletzungen).
Der Unfallmechanismus ist meist eine Streckung im Kniegelenk bei gleichzeitiger rascher Beugung im Hüftgelenk. Typisch hierfür sind ein Ausfallschritt oder der Sturz ins Spagat. Dies geschieht zum Beispiel beim Wegrutschen auf nassen Untergrund. Es handelt sich in der Regel um indirekte Verletzungen. Ein direktes Trauma als Ursache für einen Sehnenabriss ist selten.
Die Patientinnen und Patienten beschreiben oft einen Schlag oder Knall im Bereich der hinteren Oberschenkelmuskulatur. Klinisch zeigen sich meist Schmerzen im Bereich des Sitzbeinhöckers und der hinteren Oberschenkelmuskulatur. Es bildet sich im Verlauf ein Bluterguss (Hämatom) an der Oberschenkelrückseite, welcher sich nach 1-2 Tagen bis zum Kniegelenk absenken kann.
Bei der klinischen Untersuchung findet man oft das erwähnte Hämatom und die damit verbundene Verfärbung an der Oberschenkelrückseite. Es besteht ein Druckschmerz im Bereich des Sitzbeinhöckers. Manchmal ist eine Muskellücke tastbar. Die Patientinnen und Patienten vermeiden oft aktive Beugung und Streckung im Hüftgelenk und kommen humpelnd in die Sprechstunde. Zur Diagnosesicherung erfolgt eine Kernspinuntersuchung (MRT) um die Lokalisation und die Größe zu beurteilen. Für die weitere Therapie ist oft entscheidend, wie weit ein Sehnenstumpf zurückgerutscht ist (Retraktion) und welche Sehnen geschädigt sind.
Die Therapie der Verletzung kann operativ oder konservativ erfolgen. Dabei ist entscheidend, wie viele der Sehnen verletzt sind, wie weit die Sehnen zurückgerutscht sind und wie der körperliche Anspruch der verletzten Person ist.
Die Operation wird empfohlen, wenn mehrere Sehnen betroffen sind, diese deutlich zurückgerutscht sind und bei sportlichem Anspruch und/oder einem körperlich anstrengenden Beruf. Die operative Therapie sollte möglichst früh, in den ersten 5-10 Tagen erfolgen. Dabei wird über einen kleinen Schnitt im Bereich der Gesäßfalte zum Oberschenkel der Sehnenstumpf aufgesucht und mobilisiert. In den Knochen werden Fadenanker eingebracht und über diese die Sehnen wieder am Knochen befestigt, d.h. angenäht.
Die Nachbehandlung ist aufwendig. Für 6 Wochen sollte eine Belastung der verletzten Extremität nur mit Bodenkontakt erfolgen. Eine Hüftbeugung bei geleichzeitiger Kniestreckung muss vermieden werden. Es gibt dafür sogar spezielle Orthesen, die aber im Regelfall von den Patientinnen und Patienten schlecht toleriert werden. Nach 6 Wochen kann eine aktive Beübung der Muskelgruppe begonnen werden und ab Woche 9 empfiehlt sich ein Rehaprogramm. Die Rückkehr zum Sport ist nach 4-6 Monaten möglich.
Bei der konservativen Therapie erfolgt eine Entlastung bzw. Teilbelastung der verletzten Extremität für 4-6 Wochen und dann eine langesame Belastungssteigerung. Vorsichtige Dehnungsübungen im schmerzfreien Bereich sind unter Anleitung nach 3-4 Wochen, abhängig vom Verletzungsausmaß, möglich. Ab der 7. Woche wird die Belastung gesteigert und auch hier empfiehlt sich ein intensives Rehaprogramm. Die Rückkehr zum Sport ist abhängig vom Ausmaß der Verletzung und wird individuell festgelegt.