Traumatische Schulterluxation
Bei einer Schulterluxation kommt es zum „Auskugeln“ des Gelenkes. Dies bedeutet, dass die Kugel des Gelenkes, der Oberarmkopf (Humeruskopf) aus der Pfanne (Glenoid) springt.
Das Schultergelenk ist von den großen Gelenken am häufigsten betroffen. Eine Hauptursache ist das Größenmissverhältnis zwischen dem großen Oberarmkopf und der im Vergleich relativ kleinen Gelenkpfanne. Dies ermöglicht den sehr großen Bewegungsumfang im Schultergelenk. Dadurch bedingt ist aber eine relative geringe Gelenkführung durch die knöchernen Strukturen und somit eine hohe Anfälligkeit zur Luxation. In ca. 95% der Fälle luxiert der Oberarmkopf nach vorn. Ursachen sind meist Unfälle, d.h. Sturz auf den Arm oder die Schulter. Viel seltener, d.h. in ca. 2-3% aller Luxationen kommt es zu einer hinteren Luxation. Ursächlich hierfür ist oft ein Krampfanfall, zum Beispiel im Rahmen einer Epilepsie oder im Alkoholentzug. Die Diagnose einer Luxation stellt sich meist schon beim klinischen Befund und wird mit einem Schulterröntgenbild in 2 Ebenen gesichert.
Nach der Diagnosestellung muss das Gelenk möglichst rasch wieder eingerenkt werden. Eine erfahrene Ärztin / ein erfahrener Arzt kann dies eventuell manuell durchführen. Meist ist aber eine Kurznarkose erforderlich. Sehr selten gelingt das geschlossene Reponieren der Luxation nicht. Dann muss eine Notfalloperation durchgeführt werden, um das Gelenk wieder in die richtige Stellung zu bringen.
Durch den Unfall und die Luxation kommt es nahezu immer zur Schädigung von Strukturen des Schultergelenkes. Dies kann die Gelenklippe, Bänder des Schultergelenkes oder Sehnen der umgebenden Muskeln betreffen. Bei Verletzungen an der Gelenklippe spricht man von einer Labrumläsion. Die Muskelsehnen gehören zu einer speziellen Gruppe, die man Rotatorenmanschette nennt. Weiterhin können Frakturen an der Gelenkpfanne oder im Bereich des Oberarmkopfes entstehen. Nach einer Luxation und entsprechenden Läsionen besteht das Risiko, dass sich eine sogenannte posttraumatische Instabilität entwickelt. Dabei haben die Patientinnen und Patienten Beschwerden im Schultergelenk und es besteht die Gefahr, dass das Gelenk immer wieder luxiert. Dies geschieht dann oft auch ohne einen Unfall, zum Beispiel im Schlaf oder beim Greifen nach hinten oben. Um das Ausmaß möglicher Schäden genau festzustellen, sollte eine Kernspintomographie (MRT) des Schultergelenkes nach dem Unfall erfolgen. Bei besonderen Fragestellungen wird auch eine Computertomographie (CT) durchgeführt.
Nach der Diagnosestellung und der Abklärung, welche Strukturen verletzt sind, muss über das weitere therapeutische Vorgehen entschieden werden. Dabei ist es wichtig, dass durch eine gründliche körperliche Untersuchung das Ausmaß der Instabilität überprüft wird. Sind nur kleine Läsionen vorhanden, ist es die erste Luxation, ist der sportliche / körperliche Anspruch moderat und das Gelenk klinisch stabil, so kann eine konservative Therapie erfolgen. Dabei haben sich in den letzten Jahren frühfunktionelle Konzepte durchgesetzt, da eine lange Immobilisation des Schultergelenkes keine Vorteile bringt. Es sollte nur in den ersten 2-3 Wochen eine Ruhigstellung in einer speziellen Bandage erfolgen. Danach wird eine physiotherapeutische Beübung begonnen.
Besonders junge Patientinnen und Patienten (< 30 Jahre) und Verletzte mit einem hohen körperlichen Anspruch (Kontaktsportarten, Überkopfarbeiten etc.) sollten einer operativen Therapie zugeführt werden. Dadurch kann die Gefahr einer erneuten Luxation deutlich reduziert werden. Auch bei Verletzungen der Rotatorenmanschette oder knöchernen Läsionen an der Gelenkpfanne ergibt sich eine Indikation zur operativen Therapie.
Die schultergelenkstabilsierenden Eingriffe erfolgen im Regelfall arthroskopisch, d.h. durch einen sogenannten Schlüssellocheingriff. Vorteil dieser Therapieform ist, dass muskuläre Strukturen und die Gelenkkapsel geschont werden und ein gutes kosmetisches Resultat erzielt werden kann. Zuerst wird durch eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) die Verletzungen verifiziert und alle Strukturen überprüft. Der Vorteil gegenüber der Bildgebung ist, dass die Diagnostik hier dynamisch erfolgen kann.
Am häufigsten liegt eine Verletzung der vorderen unteren Gelenklippe (Labrumläsion) vor. Nach der arthroskopischen Sicherung der Verletzung erfolgt die Refixation über sogenannte Knochenanker. Dabei werden in den Knochenrand der Gelenkpfanne spezielle Anker eingebracht, an denen Fäden zur Refixation der Gelenklippe angebracht sind. Damit wird die verletzte Struktur wieder an die korrekte Position gebracht und dort fixiert.
Nun muss die Gelenklippe anheilen, damit das Gelenk wieder stabil und belastungsfähig wird. Deshalb darf das Schultergelenk in den ersten Wochen nach der Operation nicht voll bewegt werden. Zur Unterstützung und zum Schutz erfolgt die Anlage einer speziellen Bandage. Relativ frühzeitig sollte eine vorsichtige Beübung unter physiotherapeutischer Anleitung erfolgen. 6 Wochen nach der Operation wird die Bewegung freigegeben. Die Rückkehr zu Kontaktsportarten ist frühestens nach 4 Monaten wieder möglich.